Salzburger Land

Wo du herkommst, das zeigt dir auch, wohin du gehst.

Foto von Josef Schnöll auf einer Bank im Kino-Café (c) Bernhard Müller

Bernhard Müller im Gespräch mit Josef Schnöll, Betreiber der Lichtspiele Mittersill, geboren 1956 in Mittersill

„Wo du herkommst, das zeigt dir auch, wohin du gehst.“

 

Wie war dein persönlicher Werdegang?

Ich bin geboren in Mittersill, bin da in meiner Familie aufgewachsen. Ich hab zwei Geschwister, einen Bruder und eine Schwester. Bei uns in der Familie wurde immer viel Wert auf Bildung gelegt und ich bin hier in Mittersill in die Schule gegangen, in die Volks- und Hauptschule, und dann war ich sozusagen ausgesucht, dass ich den Maschinenhandel meines Vaters, Großküchenmaschinen, weiterführe. Mein Vater war in der Handelsakademie in Salzburg und darum war ich auch in der Handelsakademie in Salzburg, das war mein erster auswärtiger Schulbesuch. Danach hab ich das Bundesheer gemacht und dann in Innsbruck Betriebswirtschaft studiert. Mein Vater ist mit 48 Jahren, ein Schicksalsschlag in unserer Familie, plötzlich verstorben. Ich war damals 18 Jahre alt und trotzdem hat meine Mutter sehr darauf geschaut, dass wir eine ordentliche Ausbildung bekommen, mein Bruder ist Arzt geworden und meine Schwester hat das Lehramt gemacht. Wie ich dann fertig war mit dem Studium der Betriebswirtschaft, hab ich mich spezialisiert auf den Schwerpunkt Steuerrecht und hab dann in Salzburg eine Stelle bei der Mundus Wirtschaftstreuhand angenommen, eine Firma der KPMG, die größte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Österreichs. Nach einem Jahr war ich dann vorgesehen für Zell am See, wo eine Zweigstelle war, und dort bin ich hingekommen, weil es war immer mein Wunsch, wieder zurück in den Pinzgau zu kommen. So hab ich hier wohnen können und bin „ausgependelt“ nach Zell am See. Ich hab dann mit einem Partner im Jahre 2000 eine Gesellschaft, eine Steuerberatungskanzlei, gegründet. Ein Markstein war 2011, dass wir in Zell am See ein Bürogebäude selbst gebaut haben. Wir sind dann zu einer Steuerberatungskanzlei mit 35 Mitarbeitern gewachsen und hatten zwei Filialen, eine in Saalfelden und eine in Mittersill. Und jetzt bin ich in Pension und betreibe das Kino.

Das Gebäude geht auf deinen Großvater zurück?

Ja, mein Großvater ist mit nichts hierhergekommen außer seiner guten Ausbildung, er war Uhrmachermeister und Mechanikermeister, das war 1915, da haben sie in Mittersill ein altes Bauernhaus erworben. Meine Großmutter hat ein kleines Lebensmittelgeschäft betrieben und mein Großvater eben Autoreparatur, Uhrenhandel und Uhrenreparatur. 1927 hat er dann das Kino gegründet, er war ein sehr aufgeschlossener Mensch und hat Felix Schnöll geheißen. Ich halte diese Historie in Erinnerung, weil mir kommt vor, wo du herkommst, das zeigt dir auch, wohin du gehst. 1928 hat es dann die Weltwirtschaftskrise gegeben und meine Großeltern waren fast am Rande des Ruins, haben sich aber selbst aus dem Sumpf gezogen und das ist für mich auch ein gewisser Antrieb, Sachen die man hat, zu behalten und weiterzugeben. Für mich war es immer sehr wichtig, mein Heimathaus zu erhalten.

Was hat dich als Mensch hier in Mittersill geprägt?

Um auf meinen Großvater und Vater zurückzukommen, war für mich in Mittersill immer wichtig, dass beide auch für die Allgemeinheit tätig waren. Mein Großvater war in einer Schauspielgruppe tätig, dann war er Lichtobmann, Gründer des Kindergartens und hat sich da in Mittersill engagiert. Er ist dann Bürger geworden, damals hat es noch diesen Begriff des Bürgers gegeben. Mein Vater war im Tourismus tätig und hatte Visionen für Mittersill, zum Beispiel einen Lift auf unseren Hausberg, den Pihapper, zu bauen oder er hat auch nach dem Krieg verhandelt, weil er einen Englischen Garten draußen beim Zierteich machen wollte. Er hat dann mit einem Freund die Gründe erworben, aber nicht für sich selbst, sondern für die Gemeinde. Das ist dann leider gescheitert und nicht durchgeführt worden, wie so vieles in Mittersill. Eine der ganz wesentlichen Sachen war die Umfahrung, ein großes Projekt, weil durch Mittersill ist extremer Verkehr. Einige haben gesagt die Wirtschaft bricht zusammen, wenn eine Umfahrung ist, die anderen haben gesagt, es würde sie mehr motivieren, wenn es verkehrsberuhigt ist und die Leute flanieren können. Es ist dann an einem Unding gescheitert. Ein Gemeindevertreter hatte eine größere Vision, einen Ring um Mittersill, und der hat den Beschluss der Gemeinde, der damals in den Fraktionen bereits abgesegnet war, zu Fall gebracht. Und dann ist nichts mehr geschehen. Geprägt hat mich auch ganz stark 2005 das Hochwasser.

Das Kino, das deine Familie seit 1927 betreibt, ist damals im Hochwasser versunken?  

Das Hochwasser hat alles zerstört. Wir waren nicht gegen Hochwasser versichert. Der Hof liegt ein bisschen tiefer als die Straße und das ganze Wasser ist von oben heruntergekommen mit dem Öl der Privathäuser und hat sich bei uns im Hof gesammelt und wie bei einem Wirbel überall angelegt. Es war schrecklich. Am Anfang ist man geschockt und dann geht das Wasser zurück und dann beginnt eigentlich erst das Desaster. Wir hatten im Kino einen super Ton, das waren so eigene Tonwände und das Wasser hat sich in Kapillaren die Wände hochgefressen. Alles war kaputt. 2012 haben wir dann beschlossen, dass wir das wieder in Ordnung bringen und haben 2016/2017 einen großen Umbau gemacht. Das Kino war mir immer ein großes Bedürfnis, dass ich das weiterführe.

Du bist dann sicher auch ein Filmliebhaber?

Ich mag den Film als Kunstart. Das Kino feiert ja mit den Gebrüdern Lumiere schon über 130 Jahre und auch wenn man heute doch sehr viel digital macht, ist das Kino eine Kunstform und das gehört einfach erhalten. Ich mach mir auch den Spaß bei den Kinoaufführungen, dass ich die Leute begrüße, auch wenn es nur 5 Leute sind, und bedanke mich für den Besuch.

Ins Kino zu gehen ist mehr als nur einen Film anzuschauen, weil da hat man ein gemeinsames Erlebnis, kommuniziert miteinander und kann auch nachher noch diskutieren.

 

 

Wir machen hier in den Lichtspielen in der Hauptsache Arthouse, ich spiele bewusst keine Actionfilme und am Sonntag gibt es auch einen Kinderfilm. Was auch noch besonders ist: ich übertrage Opern live aus der Royal Opera London und ich habe eine Bühne mit in das Kino gebaut, damit ich auch Theater und Kabarett zeigen kann. Das Salzburger Schauspielhaus war schon bei uns. Ich hab eigentlich ein Konzept gemacht und das Jahr viergeteilt und wollte Mittersiller Musiktage, Literaturtage, Theatertage und Filmtage machen, vielleicht kommt das noch. Im September kommt immer der Wolfgang Seidl zur Eröffnung des Komponistenforums, das hat meine Mutter schon gehabt und der Wolfgang ist uns immer treu geblieben. Zum Todestag vom Anton von Webern spiele ich am 15. September auch immer den Film „Geblendeter Augenblick“ von Gert Jonke, den hat mir der Wolfgang Seidl von der Witwe des Regisseurs besorgt und den darf ich jedes Jahr aufführen.

Wie siehst du den Zuspruch der Mittersiller Bevölkerung zu deinen Lichtspiel-Initiativen?

Gering. Ich habe aber ein nettes Stammpublikum, das hab ich schon. Die kommen von Bramberg, von Neukirchen und zwei ganz nette Damen aus Kaprun. Von der Politik, wenn ich es so betrachte, werde ich ignoriert. Die Schulen nehmen die Angebote schon fleißig an, da hab ich einen guten Kontakt und das ist sehr erfreulich. Die Schule hat auch einmal ein Musical hier aufgeführt und für solche Sachen bin ich auch offen. Die Filmbranche ist an und für sich eine unglaublich herzliche untereinander. Ich erlebe das immer wieder, wenn ich Kinobesitzer oder Verleiher oder auch Regisseure treffe. Ich hatte einen super Erfolg mit dem Adrian Goiginger, der dreimal bei mir war und ich muss sagen, wir sind wie eine große Zirkusfamilie.

Du bist für das Supergau Festival auch Gastgeber, da du Räumlichkeiten in Mittersill zur Verfügung stellst, in denen der Infokiosk als Anlaufpunkt des Festivals gastiert. Begrüßt du dieses Festival zeitgenössischer Kunst im Oberpinzgau?

Ich finde das sehr gut, dass das gemacht wird und begrüße es sehr, dass man uns im Pinzgau kulturell entdeckt und, auch wenn wir hier im Abseits sind, neue Blickwinkel eröffnet werden.  Teilweise braucht man ein bisschen Verständnis des Hintergrundes, um das Ganze besser zu verstehen und man muss vielleicht auch ein bisschen aufgeklärt werden.

Es sollte nicht nur in den Raum gestellt werden und den Leuten die Interpretation überlassen werden. Wenn man Kunst im öffentlichen Raum produziert, könnte man ja doch ein bisschen rundherum sagen, warum man das macht, damit auch ein Verständnis beim Betrachter entsteht. Man gewinnt dann für sich selbst mehr.

Der erwähnte „Infokiosk“ befindet sich in der Hintergasse 2 in Mittersill und ist während des Festivals von 12:00-18:00 Uhr geöffnet. Er ist Treffpunkt für Künstler*innen und Besucher*innen, ein Ausstellungsort, Startpunkt der Supertours und Sendestation des Superfunks.

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