The Golden Pixel Cooperative – Techno Spaces
Test ud Interview: Bernhard Flieher
Eine Gruppe, die den Aufführungsort in ihre Ideen einplant und den Entstehungsprozess für das Ergebnis ihrer Arbeit mitdenkt – das ist The Golden Pixel Cooperative, kurz (GPC). Marlies Pöschl, Simona Obholzer und Nathalie Koger gründeten 2015 den Verein „für Bewegtbild, Kunst und Medien“. Anti-rassistisch. Queer-feministisch. Dokumentarisch. Essayistisch. So sollen die filmischen Arbeiten sein, die GPC – mittlerweile angewachsen auf 16 Mitglieder – anstrebt.
Ein Gespräch mit Marlies Pöschl
Wie lässt sich das Projekt „Techno Scapes“ beschreiben?
Wenn man als Videokünstlerin eine Arbeit in der Landschaft zeigt, fragt man sich als erstes: Wie kommen die Bilder dorthin? Welche Infrastruktur ist notwendig, und wie verändert das wiederum die Landschaft? Das ist Ausgangspunkt – und gleichzeitig auch Thema des Projekts. Am Gelände des ehemaligen Bahnhof Lueg in St. Gilgen treffen sich unsichtbare Datenleitungen und die verschwundenen Schienen der ehemaligen Salzkammergut-Lokalbahn. Dort installieren wir ein mobiles Kino, in dem wir Video-Arbeiten zeigen.
Was wird zu erleben sein?
Lisa Truttmann stellt in ihrem Videoessay eine Verbindung zwischen der ehemaligen Zugstrecke der Ischlerbahn und zeitgenössischen Funktechnologien her. Die Landschaften im Inneren eines Smartphones – die Leitungen zwischen den Teilen und die Rohstoffe, aus denen diese Geräte zusammengebaut werden – stehen im Zentrum von Katharina Swobodas Beitrag. Marlies Pöschl entwirft eine Alternative zu gegenwärtigen Datenzentren: Datenspeicherung in der DNA von Pflanzen. Simona Obholzer spielt in ihrem digital generierten Video mit dem emotionalen Gehalt und der vermeintlichen Echtheit von Natur-Bildern. Und zusammen mit einer Gruppe von Kindern erzählt Nathalie Koger Erich Kästners „Konferenz der Tiere” neu.
Muss man sich das vorstellen wie ein Open-Air-Kino?
Der Unterschied ist, dass die Besucherinnen und Besucher das Kino selbst mitbringen. Wir haben ein eigenes Setting entwickelt, in dem Smartphones zur Leinwand werden, auf der unsere Filme zu sehen sind. Die Filme treten in Dialog mit der Umwelt. Während früher vielleicht ein Feldstecher auf eine Wanderung mitgenommen wurde, sind heute Handys mehr und mehr zu Geräten geworden, mit denen wir im Alltag Natur erschließen. Im Gegensatz zu Kino, das ein gemeinschaftliches Erlebnis ist, schaut man auf Mobiltelefonen für gewöhnlich alleine. Diese Tendenz hinterfragen wir.
Sie wollen Auswirkungen der Digitalisierung in der Landschaft sichtbar machen. Passiert das nur durch die Intervention– oder gibt es diese Auswirkungen auch
im Alltag?
Das Spannende ist, dass in Bezug auf Datenspeicherung und Datenübertragung eine Tendenz zur Unsichtbarmachung herrscht. Während Pläne eines Kanalsystems online zugänglich sind, bleiben Informationen über den Verlauf von Datenleitungen geheim. Die Architektur von Datenzentren und Serveranlagen ist meist bewusst neutral und unscheinbar gehalten – eine Form der Verschleierung. Deshalb liegt unser Schwerpunkt auf dem Sichtbarmachen des Unsichtbaren.
Sind wir uns, die wir so gut wie alle dauernd mit elektronischen Devices durch Stadt und Land bewegen, der Auswirkungen der Digitalisierung denn zu wenig bewusst?
Ja, denn diese Infrastrukturen werden erst wahrgenommen, wenn sie nicht mehr funktionieren. Wie im März 2020 in Wien, als die Internet-Verbindungen aufgrund des erhöhten Nutzungsvolumens während der Covid-Pandemie enorm verlangsamt waren. Wenn wir in St. Gilgen ein Foto machen und dieses auf einen Cloud-Server laden, denken wir nicht daran, dass es auch eine materielle Struktur gibt, die hinter dieser Cloud steht, und dass diese auch Auswirkungen auf die Umwelt hat. Das Streamen von Videos macht mehr als 60 Prozent des weltweiten Datenvolumens aus und ist für mehr als ein Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Deshalb thematisieren wir auch alternative Zukunftsentwürfe.
Wie habt ihr den Schauplatz für euer Projekt gefunden?
Wir haben für Techno Scapes nach einem Ort gesucht, der in der Vergangenheit industriell genutzt wurde und dadurch das Verhältnis zwischen menschlicher Infrastruktur und Natur bereits eingeschrieben hat.
Welche Recherchen vor Ort waren nötig?
Vor-Ort-Recherchen und Dreharbeiten vor Ort sind wesentlicher Bestandteil der Arbeit. Da gibt es zum einen die Recherche für die einzelnen Projekte, wo es zum Beispiel, wie in Lisa Truttmanns Arbeit darum ging, dem Schienenverlauf der Lokalbahn zu verfolgen. Marlies Pöschl hat spezifisch nach Orten gesucht, in denen es ähnliche Motive wie in den von ihr inszenierten Gedichten gibt. Um die Installation zu entwickeln, haben wir auch mit 360-Grad-Aufnahmen gearbeitet, da wir nicht immer gemeinsam vor Ort waren – da verbindet sich die physische Präsenz vor Ort mit der medial vermittelten – und das erzählt wieder etwas über unser Projekt und wie wir gegenwärtig Landschaften wahrnehmen.
Kürzlich wurde von GPC der Film „Half On The Sky“ fertiggestellt, der – wie auf der Homepage steht – erste „kollektiv realisierte“ Kurzfilm. Wie kollektiv entstand
„Techno Scapes“?
The Golden Pixel Cooperative ist keine Künstlerinnengruppe im klassischen Sinn, sondern ein von Künstlerinnen gegründeter Verein, der ein fruchtbares Milieu für unsere künstlerische Arbeit sein soll und dafür eine materielle und immaterielle Infrastruktur entwickelt. Eines unserer Anliegen ist die Distribution von Bewegtbild-Arbeiten – und da verfolgen wir einen Ansatz, der die Ausstellungsorte immer mitdenkt. Das Supergau-Festival ist in dieser Hinsicht ein spannender Rahmen, weil wir
schon lange ein gemeinsames Projekt im öffentlichen Raum realisieren wollten. Wir sind eine Kooperative, das heißt, der Grundgedanke ist jener des Teilens – von Ressourcen und Ideen,
aber auch von Verantwortung.
Bernhard Flieher ist Kultur-Redakteur bei den Salzburger Nachrichten