Resident: Martin Gautsch
Der Fotograf Bernhard Müller im Gespräch mit Bildhauer, Biobauer und Betreiber des Kunnsthofes in Gruben Martin Gautsch. Er ist 1975 im Lungau geboren, lebt im Thomatal und Resident für die Feldarbeiter*innen, Porgel und Habitat 23.
„Das Meer der unendlichen Möglichkeiten.“
Wie war Dein Werdegang?
Aufgewachsen bin ich am Kunnsthof, also da am Bauernhof und rückblickend war es eine wunderschöne Kindheit, wir haben uns austoben können im Handwerklichen, in der Natur, es geht der Bach vorbei und wir haben Staudämme gebaut und sind von der Wildbachmauer runtergesprungen und haben Hütten gebaut. Es war schon eine sehr innige Dorfgemeinschaft und Kindheit. Von der Familie her bin ich sehr traditionell und bodenständig aufgewachsen, klischeehafte Rollenverteilung, mein Vater hat richtig viel gearbeitet, meine Mutter hat uns umsorgt. Wir sind 8 Kinder, also 7 Geschwister, 2 Geschwister sind noch jünger als ich und das war auch eine ganz spannende Geschichte, weil man die Rivalität hat, aber ich hab da sehr positive Erinnerungen. Es war natürlich der landwirtschaftliche Betrieb sehr prägend, das ist auch jetzt noch für mich eine Basis, der Umgang mit Tieren, mit Pflanzen, in einer nachhaltigen Art und Weise, und auch immer im Leben mit der Witterung und der Jahreszeit. Das ist schon eine Struktur, die sehr viel vorgibt. Es ist ein Familienbetrieb gewesen und da haben wir alle zusammengeholfen, natürlich nicht immer freiwillig, aber das war einfach so, da hast beim Heugen geholfen oder beim Brennholz machen, das war nicht immer lustig. Und nachher bin ich dann auch in das Konventionelle und Traditionelle hinein, ich war im Dorfgeschehen, bei allen Vereinen, ich war beim Pfarrgemeinderat und bei der Gemeinde. Von der Ausbildung her bin ich auf die Landwirtschaftsschule in Tamsweg gegangen, das hat mir auch voll getaugt, ich war weg von daheim im Internat, aber auch das sehr bodenständig und traditionell. Dann bin ich wieder heim und hab den Betrieb 20 Jahre lang geführt, wir sind überzeugte Biobauern, das ist für mich eine Selbstverständlichkeit, da käme für mich gar keine andere Bewirtschaftungsweise in Frage. Dann ist irgendwann, so schleichend, die Kunst dazugekommen. Das hat mich immer schon interessiert. Wenn ich so in Jugendjahren meine Freunde in München oder in Salzburg und Graz besucht hab, hab ich mir immer Kunstausstellungen angeschaut. Irgendwann hab ich im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft angefangen in der Nebenerwerbstätigkeit zu schnitzen, bildhauerische Sachen. Das ist dann schlagartig so weiter gegangen, dass ich auf einmal 2 Jobs gehabt hab und es ist immer mehr geworden. Da hab ich mich dann entschieden, dass ich mich auf eine Richtung konzentriere und meine Berufung suche. Am Anfang war es nicht so klar, aber irgendwann hab ich dann ganz auf die Kunst gesetzt. Das war dann auch eine spannende Diskussion weit über die Gemeindegrenze hinaus. Ich hab dann auch eine Gesamtverpachtung gemacht und hab die Landwirtschaft ganz stark reduziert, ein paar Ochsen und Schafe. Es ist schon ein zeitintensives Hobby, aber ich hab das so gerichtet, dass im Sommer alle Tiere auf der Weide, auf der Alm, sind, da hab ich dann mehr Spielraum und im Winter genieß ich es sogar, dass ich in der Frühe aufstehe und die Stallarbeit hab.
Du lebst jetzt also, neben deiner Nebenerwerbstätigkeit als Bauer, ganz von deiner Bildhauerei?
Ich teile meine Selbstständigkeit in zwei Bereiche, einmal das kreative Schnitzen, wo ich als Aufträge zum Beispiel für Spielplätze Figuren mache oder für eine Landesgartenschau in Oberösterreich oder für Firmen, für einen Wanderweg in Hermagor, so Geschichten halt. Da bekomm ich die Skizzen von Architekten oder Künstlern, das ist das kreative Handwerk, nicht so eine tiefgehende Kunst. Ich hab einen ganz erweiterten Kunstbegriff. Beuys, dem kann ich unglaublich viel abgewinnen und ich erleb das auch so. Ich mach Workshops mit Kindern, was da abgeht. Man darf sich nur nicht einmischen, das ist die Kunst. Ich begleite die Kinder zum Meer der unendlichen Möglichkeiten, ich benenn das auch so und ich leg das Gestalterische dann auch in ihre Hände und sag dann auch: seid ihr jetzt bereit, dass ihr die Künstler seid? Und dann kommt schon meistens ein Ja. Ich hab ihnen schon vorher ein bisschen die Kunst erklärt und auch die verschiedensten Möglichkeiten. Einmal haben wir Skulpturen mit Büchern gemacht und da sag ich ihnen, man kann das falten, man kann es zerknüddeln, man kann es zerschneiden, man kann es bohren, man kann es stapeln, klammern, und und und. Ich sag ihnen auch, ihr könnt alle gemeinsam ein Teil machen, ihr könnt aber auch jeder was alleine machen, ganz wie ihr wollt. Und dann sag ich ihnen auch, ihr könnt etwas machen, das keinem gefallen muss, aber euch soll es taugen. Und dann geht es ab, das ist brutal, das ist nicht zum glauben. Das Meer der unendlichen Möglichkeiten, das hab ich vom Ulrich Warnke einem Spezialisten von der Quantenphysik und das ist für mich eine Bezeichnung von dem Bereich, den ich erahne, dass darin das künstlerische steckt, das jeder Mensch auf der Welt in sich hat. Das ist leider oft überlagert von Ideologien und Ängsten und Gewohnheiten, aber das haben wir in uns. Und das ist dann der zweite Bereich meines künstlerischen Lebens und das ist auch das Ziel, dass ich da hinkomme. Da ist zwar die Verständlichkeit nicht so gegeben, das braucht es aber auch nicht in der Kunst, sondern mehr das Spüren, das Fühlen.
© Bernhard Müller
Wie haben denn die Menschen in deinem Umfeld, deiner Dorfgemeinschaft auf deine Entscheidung Künstler zu sein, reagiert?
Ich hab den Vorteil gehabt, dass ich gesellschaftlich sehr involviert bin und alle kennen mich recht gut und ich sag mal so, ich hab da eine gewisse Akzeptanz gehabt. Grundsätzlich erleb ich es so, dass die Zielgruppe in der Kunst eher kleiner ist. Bei der Eröffnung von einer Kunstveranstaltung da am Hof waren 100 Leute da, was für den Lungau super ist. Wenn ich einen Tag der offenen Tür mache, wo ich die Stalltüre aufmache und die Blechmusik ist da, dann hab ich 700 Leute da. Was ich aber wirklich miterleben kann, ist, wenn die Leute kommen, Leute die sich nicht oft mit Kunst auseinandersetzen, es ist eine große Bereitschaft da, dass sie miteinsteigen. Das spannende ist, dass es oft Begegnungen sind, die echt tief gehen. Und da steigt, meiner Meinung nach, die Akzeptanz gerade massiv. Kunst kann die Menschen tief berühren und ich bin auch überzeugt, dass es das braucht in Zukunft, dass wir uns da öffnen. Voraussetzung ist, dass man sich dem stellt und das ist auch nicht immer schön.
Wie siehst du die Situation der modernen Kunst, speziell im öffentlichen Bereich, im Lungau?
Das ist jetzt nicht ganz einfach zu beantworten. Ich sehe sehr viele Punkte im Lungau, wo Kunst passiert. Wenn man länger da ist, sieht man schon, dass da viele Aktivitäten sind, ganz viel natürlich auch von der Lungauer Kulturvereinigung, die machen viel im Bereich Theater und Konzerte, Kinovorführungen. Die zeitgenössische Kunst ist nicht ganz so massiv vorhanden. Der Lungau hat natürlich mit 20.000 Einwohnern eine ganz andere Struktur, die großen Zentren sind nicht vorhanden. Worauf ich aber hinauswill, was ist denn Kunst? In der gängigen Bezeichnung ist das ja reduziert auf Maler, Bildhauer und das ist für mich nicht haltbar. Es braucht zwar Feingefühl und Empathie in der Kunst, Intuition, dann setze ich mich intensiv mit Material und einem Thema auseinander. Aber wenn ich jetzt zum Beispiel die Erziehung eines Kindes sehe, dann geh ich schwer davon aus, dass das mehr Kreativität, Empathie, Feingefühl und auch Freiraum für die Prozesse braucht, die da entstehen. Wenn ich einen alten Menschen pflege oder eine Schulklasse leite oder ich komme sogar bis in die Politik, also einen politischen Prozess kreiere, dann ist das auch Kunst. Ich wünschte mir mehr Akzeptanz des künstlerischen Wirkens. Man muss sich auch vorstellen, für den Bau von ganz vielen Sachen ist ein Budget da, für kreatives Arbeiten mit Kindern, wo ich behaupte, dass sich da ein Fenster öffnet und sich der Horizont erweitert, ist es schwer Gelder aufzubringen. Da gehört einfach mehr Akzeptanz her.
Du bist ja Gastgeber von 3 Künstlergruppen im Supergau, die Feldarbeiter*innen, Florian Gwinner mit der Polter, Fabian Lanzmaier und Andreas Zißler mit Habitat 23. Wie bist du dazu gekommen und wie schaut deine Rolle als Gastgeber aus?
Beim Supergau hab ich ein Projekt eingereicht, da bin ich aber nicht genommen worden und das war mein erster Kontakt. Dann hat die Tina Heine mit vielen Künstlern am Anfang gleich mal vorbeigeschaut und hat mich besucht. Grundsätzlich steh ich dem Ganzen sehr offen gegenüber und ich hab ja den Hof auch dafür gewidmet, dass er für solche Sachen hergenommen werden kann. Ich hab dann auch die Werkstätte angesprochen, wenn da jemand irgendetwas braucht und auch wenn jemand Fragen hat mit Firmen, weil da hab ich ja viel Erfahrung. Ja und dann ist der Florian Gwinner gekommen, der ist aus Berlin und macht die Polterorgel und die produziert er jetzt bei mir. Er war schon zweimal etliche Tage da und hat auch schon da gearbeitet. Er kann einfach die Werkstatt benützen, die Maschinen und zum Teil hab ich ihm natürlich auch Material zur Verfügung gestellt. Er hat gemeint, so und so viele Baumstämme braucht er in der und der Länge. Dann haben wir unglaublich fein gewachsene Bäume gefunden, sozusagen das ideale Klangholz und die hat er dann bekommen. Das ist für mich auch wieder eine einfach schöne Begegnung, wir reden auch oft miteinander und philosophieren dahin und das taugt mir halt. Und dann die Feldarbeiter*innen, das sind die 5 Damen, die brauchen ein Feld für ihre Traktor-stricktechno-performance, da ist am Traktor hinten eine Strickmaschine und da machen sie so ein Band ins Feld. Dann haben wir ein Feld besichtigt und da schau ich, dass für den Termin passend gemäht ist und was sie dann auch noch brauchen ist ein Viehhänger, das wird die Zentrale, wo sie die technische Anlage und Beleuchtung reinbauen. Die Werkstatt hab ich ihnen auch noch als Verpflegungsraum angeboten. Noch dazu gekommen ist jetzt auch noch der Andreas Zißler und der Fabian Lanzmaier, die ihre Soundinstallation hier machen, weil die Plätze, die sie angestrebt haben, sind nicht genehmigt worden wegen naturschutzmäßigen Problemen oder Arbeitssicherheit. Da hab ich ihnen ganz spezielle Plätze hier heroben gezeigt, wir haben da einen Platz mit einem alten Hochofen, wo Eisen geschmolzen worden ist und dann gibt’s noch einen Bereich, wo früher Kohlenmeiler gemacht worden sind. Da haben wir im Dorf einen, der das wieder betreibt und da hab ich ihnen den Kontakt hergestellt und Informationen gegeben. Das bauen sie jetzt vielleicht auch noch mit ein.
Wie spürst du hier in der Dorfgemeinschaft die Resonanz auf den bald beginnenden Supergau?
Es ist noch nicht so präsent, da braucht es noch ein paar Marketingaussendungen. Aber weil ich natürlich involviert bin, rede ich mit einigen Leuten. Freuen würd ich jetzt einmal nicht behaupten, weil einfach noch keiner richtig weiß, was los sein wird. Ich würd aber auch nicht sagen, dass ein großer Gegenspruch ist und Angst seh ich auch nicht. Was schon ist und das find ich auch gut, ein bisschen Skepsis was da sein wird. Es ist halt auch von außen, es wird halt auch ein bisschen so drübergelegt. Aber ich kann da jetzt auch schon von coolen Projekten erzählen, die hier bei mir am Hof sind, wo ich auch mitbekomme, dass da tolle Leute dran arbeiten. Das ist für mich die Bereicherung, wenn man das mitbekommt, wie die Künstler, ich bezeichne das als ehrlich und authentisch, die Projekte angehen.
Die meisten Arbeiten des Supergau sind ja temporär angelegt. Wie stehst du als Künstler, der bleibende Skulpturen erschafft, dazu und freust du dich schon auf das Festival?
Grundsätzlich hab ich die Überzeugung, dass es nichts gibt, keine Aktion, die nicht eine Wirkung für immer hat. Ich bin nicht der, der sagt, da muss etwas entstehen, das für immer da sein und etwas verschönern muss, den Ansatz oder Anspruch hab ich nicht. Eher seh ich es so, warum soll das für immer sein? Warum meinen wir immer alles muss produktiv sein. Die Kinder leben uns vor, dass es nicht so ist und tun etwas aus Freude am Tun und was nachher mit der Sandburg passiert, ist vollkommen egal. Die bauen stundenlang und wenn es fertig ist, hauen sie es zusammen und dann kommt das nächste. Ich freu mich auf jeden Fall auf die Zeit mit dem Supergau und seh es als große Bereicherung und allein deswegen hat es sich für mich schon gelohnt.