Begegnungen am Supergau-Eröffnungstag
Ein Bericht von Vanessa Friedl (geboren 1997), aufgewachsen in München. Seit 2018 in Salzburg. Masterstudium Lehramt Kunst und Gestaltung & Technik und Design. Als Kunst- und Kulturvermittlerin und Künstlerin neben dem Studium tätig.
Am Freitagmorgen bin ich mit Studienkolleginnen im Zug zum Eröffnungstag des Supergau gefahren. Eigentlich kannten wir uns alle nur aus der Lehrveranstaltung, also war die Zeit im Zug mit Kennenlernen schnell gefüllt. Zudem studieren wir alle etwas anderes und stehen an anderen Punkten in unseren Leben, da wir auch unterschiedlich alt sind. Die Lehrveranstaltung wird über die interuniversitäre Einrichtung “Wissenschaft und Kunst” abgehalten, wodurch Student:innen der Paris-Lodron Universität und des Mozarteums zusammenkommen. Unsere Lehrveranstaltungsleitung Elke Zobl lud zudem eine gute Freundin und ehemalige Kollegin ein.
Gemeinsam haben wir das Interesse an den Themen der Lehrveranstaltung „Künstlerische Interventionen und Klima-Aktivismus“, die uns an Kunst im öffentlichen Raum, aktivistische Kunst und eine Vielzahl zeitgenössischer Arbeiten heranführen soll.
Bis St. Veith verlief die Zugfahrt problemlos. Dort sollte unser Anschlusszug nach Zell am See zunächst nicht kommen, weshalb wir 40 Minuten warten mussten. Bei dem kalten und regnerischen Wetter war das sehr ungemütlich. Wir setzten uns also in das Wartehäuschen am Gleis und unterhielten uns weiter. Die Zeit verging so dann recht schnell.
Nachdem wir eine grobe Vorstellung davon hatten, mit wem wir den Tag im Pinzgau verbringen würden, sprachen wir ganz locker über das Festival. Da uns die künstlerischen Projekte und Aktionen noch unbekannt waren, blieben die Gespräche eher allgemein. Wir fragten uns, wie Kunst möglichst zugänglich und nahbar sein kann. Auch andere Fragen aus unserer Lehrveranstaltung beschäftigten uns, die erst später mit den Projekten unterschiedlich beantwortet werden konnten.
Welche Rolle nehmen Künstler:innen ein, wenn sie ein Werk nicht selbst fertigstellen, sondern das Publikum dazu beitragen lassen. Wie gestalten die Künstler:innen im Supergau ihre Projekte und beziehen sich dabei auf die Orte, Personen und Kultur?
Nach einer Busfahrt von Zell am See waren wir in Uttendorf angekommen. Dort standen wir in der atemberaubenden Tal-Berg-Kulisse und begannen unsere Festival-Tour.
Zunächst besuchten wir die Soundinstallation „Wohnoase 2057” der Künstler:innengruppe Dekonstrukt neben der Pfarrkirche St. Rupert in Uttendorf. Auf einem mit Gräsern und Wiesenblumen bewachsenen Grundstück sind mehrere Metallrohre aufgestellt. Wir erkennen diese Rohre von Lüftungssystemen bei großen Gebäuden und aus der Industrie wieder. Wenn wir vor einem dieser circa 180 cm hohen Rohre stehen, hören wir entweder rauschende Geräusche, alltagsnahe Klänge oder fragmentarische Stimmen. Die „Wohnoase 2057” ist jedoch mehr als nur Rohre und Sound. Das Bautransparent gibt einen entscheidenden Hinweis auf das Konzept. Am Bauzaun steht der Spruch: „Die Zukunft zieht runter. Modern. Sicher. Lebenswert“ sowie ein Bild von fiktiven Wohnräumen unter der Erde. Mit diesem Wissen entstehen beim Hören der Sounds eigene Vorstellungen von solchen Wohnräumen. Die Künstler:innen thematisieren damit die sich durch die Klimakrise verändernden Wohn- und Lebensbedingungen in naher Zukunft. Sie kreieren Vorstellungen davon, wie es im Pinzgau, aber auch woanders in Europa, sein könnte.
Zufälligerweise kamen die beiden Künstler:innen, als wir bereits im Kreis standen, um uns darüber zu unterhalten. Sie haben uns ihren Schaffensprozess und mehr über das Konzept dahinter vermittelt. Dann haben wir ihnen unsere Eindrücke mitgeteilt, die alle sehr ähnlich waren und trotzdem hat sich sicherlich bei jeder von uns eine andere Wohnwelt aufgetan. Für mich ist die Vorstellung unter der Erde zu leben ziemlich bedrängend und belastend. Der regnerische Tag mit geschlossener Wolkendecke, ohne blauen Himmel, ließ schon kein großes Gefühl von Unbeschwertheit und Heiterkeit zu. Eingeschlossen ohne Tageslicht wäre also schrecklich – sehr dystopisch, dennoch nicht unrealistisch, das nächste Generationen so leben könnten. Je länger wir uns darüber unterhielten, desto realer wurden meine Vorstellungen und dieses beklemmende Gefühl.
Im Nachhinein erkenne ich, wie stark dieses Projekt ist und welche zukunftsorientierte Perspektive Geräusche auslösen können.
Danach besuchten wir in Uttendorf das Partizipationsprojekt „anbandeln“, fuhren dann zur Eröffnung im Supergau-Kiosk und anschließend zum Raumnutzungskonzept „Superstadl“ (Café Ibiza). Anschließend sahen wir den Film „Alles hat ein Ende“ von Julia Schäfer und beendeten unseren Tag mit dem Theaterspiel „Die Anhörung/Naturalis Persona“ von Tempora. Glücklicherweise fuhren wir mit einem Kleinbus zu den einzelnen Stationen. So konnten wir uns im Trockenen und Warmen entspannen. Auch an der Eröffnung in Mittersill nahmen wir teil. Es waren Künstler:innen, der Bürgermeister und die Bürgermeisterin sowie Ortsansässige anwesend, um die Eröffnung feierlich zu begehen. Währenddessen wurden wir alle mit leckeren Bauernkrapfen verköstigt.
In den Projekten „anbandeln“ und „Superstadl“ werden insbesondere die Bewohner:innen des Pinzgaus einbezogen und es wird ihnen ein kreatives Angebot sowie die Möglichkeit zur kulturellen Betätigung gemacht.
Noch in Uttendorf trafen wir die Künstlerinnen Nora Grundtner, Katharina J. Ferner und Marlen Mairhofer mit ihrem Projekt„anbandeln“.
Wir erfuhren, dass sie sich bereits einige Zeit zuvor in Uttendorf aufgehalten hatten und im öffentlichen Raum mit den Einwohner:innen in Kontakt getreten waren. Sie wurden eingeladen, ein Band zu weben. Vor allem Kinder und Frauen im mittleren Alter webten gerne an dem langen Musterband weiter und ließen sich auf diese textile und soziale Begegnung im Alltag ein. Während der Begegnungen sind Gespräche entstanden, die sich um Textilien, Erfahrungen und den Alltag im Pinzgau drehten. Die Künstlerinnen haben aus diesen Gesprächen Zitate ausgewählt und anschließend Plakate gestaltet. Diese Plakate wurden aufgehangen und geben im Öffentlichen Raum Einblicke in die Themen, die die Uttendorfer:innen beschäftigen, und somit auch in deren Kultur. Das gewebte Band soll nach dem Supergau dem Bürgermeister übergeben werden und dort als Kulturprodukt verbleiben.
Wir haben das Brettchenweben selbst ausprobiert. Dazu müssen sich zwei Personen gegenüberstehen, sodass eine Person webt und die andere die Webkette hält. Mehrere von uns haben es ausprobiert und hatten Freude daran, diese Technik kennenzulernen. Da die Weber:innen jedoch ständig wechselten, ist das bisher vorhandene Band ziemlich ungenau und locker gewebt. Es ist fast schon nicht mehr schön.
Aber worauf kommt es an: auf das Band, das Weben oder etwas ganz anderes?
Ich kannte diese tolle Technik bereits und weiß, wie schön Bänder werden können. Meine innere Ästhetin war sehr unglücklich darüber, dass es nicht darum ging, ein schönes Band zu erhalten. Ich konnte und wollte nicht weiter daran weben. Außerdem war nicht mehr viel Zeit, und ich wollte, dass die anderen es ausprobieren. Letztlich sehe ich auch kein Problem darin, da die Begegnungen untereinander einen höheren Stellenwert hatten.
Die Künstler:innen sprachen mit uns dann auch eher über das Projekt als „durch“ das Projekt. Fairerweise muss man dazu sagen, dass zwei von uns Nora schon aus dem Studium kannten. So sind wir uns eher als Kolleginnen begegnet, die sich für das Projekt interessieren. Aus dieser Perspektive denke ich, dass die drei ein sehr soziales Textilprojekt geschaffen haben. Brettchenweben ist nicht vielen Menschen bekannt und weckt sicherlich Neugierde.
Der Ausflug mit meinen Studienkolleg:innen zum Supergau war für mich sehr bereichernd. Wir haben uns viel mit der Professorin ausgetauscht.
Insbesondere die gelungene Umsetzung der Ideen und das große Interesse der Künstler:innen, mit ihren Projekten auf die vorhandene Kultur im Pinzgau zu reagieren, haben mich inspiriert.
Dabei ist immer etwas Neues entstanden, da sich die Künstler:innen und Pinzgauer:innen mit Themen beschäftigt haben, die neue Perspektiven auf Unbewusstes und Altes werfen. Die Projekte widmen sich dem Pinzgau wertschätzend, aufmerksam, kritisch, kreativ, hoffnungsvoll, demokratisch und kommunikativ.
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