Anna Stadler & Lukas Gwechenberger – Erdmigration
Anna Stadler & Lukas Gwechenberger – Erdmigration
Bus 150 – Haltestelle Fuschl am See, Abzweigung Eibensee
14. – 24. Mai 2021
Vermittlung künstlerische Inhalte ist für Anna Stadler kein gänzlich neues Thema. Die Salzburgerin ist seit 2019 Doktorandin an der interuniversitären Einrichtung Wissenschaft & Kunst in Salzburg, wo sie in einem interdisziplinären Projekt an der Nahtstelle von poetischer Erkundung und Kunstwissenschaft forscht. Zudem ist sie seit 2019 Mitherausgeberin von „archipel – Zeitschrift für Kunst, Theorie & Literatur“. Dort arbeitet auch Lukas Gwechenberger mit. Gwechenberger zeigt ein besonderes Interesse an der Verformung und Verfremdung von Material, Raum und dessen Wirkung. Bei seinen Werken handelt es sich vorwiegend um ortsbezogene Auseinandersetzungen, die in Gestalt von Installation, Sound, Fotografie und Video umgesetzt werden.
Das gemeinsame Werk für Supergau kommt hingegen ohne den Einsatz digitaler Medien aus. Die Idee hinter „Erdmigration“ liest sich im Vergleich erstmal recht einfach: Man entnehme Erde von einem Ort und bringe ihn an einen anderen – und das wiederholt man. Dieser „chirurgische“ Eingriff von Anna Stadler und Lukas Gwechenberger ist bei genauerer Betrachtung auf vielen Ebenen hochkomplex und folgenreich. Schon der Name „Erdmigration“ kommt eine besondere poetische, fast schon musikalische Qualität zu. Hier reflektiert sich das diverse und interdisziplinäre Schaffen der beiden Salzburger*innen. Man könnte die Arbeit in all ihren Facetten als Epitom künstlerischer Arbeiten begreifen, die stets zwischen Kultur und Natur, zwischen Formung und „seinen Lauf nehmen lassen“ vermittelt.
Wie kommt es zu Ihrer Zusammenarbeit?
In unserer künstlerischen Arbeitsweise gibt es mehrere Schnittstellen, sowie auch einige sich ergänzende Elemente und Herangehensweisen, die ein gemeinsames Arbeiten für uns interessant machen. Als wir auf die Ausschreibung aufmerksam geworden sind, hatten wir unmittelbar ein paar Ideen dazu. Die entstandene Arbeit weicht zwar sicher von den ersten Einfällen ab, aber sie ist bestimmt um diese herum gewachsen.
Wie ist für Sie als urbane Salzburger*innen das umliegende Land zu erkunden?
Da in Salzburg ja die Übergänge zwischen Stadt und Land fließend sind, bewegen wir uns ohnehin auch viel im Umland von Salzburg und obwohl wir auch ein paar – uns zuvor unbekannte – Orte gewählt haben, kannten wir die meisten der Orte, die wir nun im Rahmen des Projektes aufsuchen, schon davor. Interessant für uns ist daran aber gerade im Bekannten andere Strecken und Handlungsarten zu erproben.
Hinsichtlich Ihres Hintergrunds, Frau Stadler, stellt sich sobald die Frage wie poetisch für Sie „Erdmigration“ ist? Wie nah ist das an Ihrem eigenen schriftstellerischen Werken?
Anna Stadler: Einen Zusammenhang sehe ich darin, dass ich das Schreiben in ähnlicher Weise als erkundende Bewegung erlebe: Als eine Neugierde auf den umgebenden Raum und ein Angeleitetsein durch das, was man unterwegs erfährt. Auch die Annäherung ähnelt sich. So wie wir uns mit einem Vorhaben – in diesem Fall der Transfer-Geste, die wir ausführen wollen – in die Situation begeben, beginnt der Schreibprozess ja auch häufig mit einer Vorstellung, einer Versuchsanordnung oder einem Irritationsmoment.
Bei Ihnen, Herr Gwechenberger, steht ja häufig die Verformung und Erkundung von Material im Vordergrund. Nun erkunden Sie ja viel weniger, als dass sie in gewisser Weise nach kurzem Entblößen auch wieder verstecken. Gibt es trotzdem eine analytische Qualität in „Erdmigration“?
Lukas Gwechenberger: Ohne dies den BesucherInnen jetzt einreden zu wollen, denke ich schon, dass die Arbeit analytisch betrachtet werden kann, wobei ich diese Qualitäten eigentlich vielmehr in der gedanklichen Auseinandersetzung, als in der visuellen Zerlegung sehe. Nicht immer offenbart sich der Inhalt einer Arbeit ausschließlich durch das, was es zu sehen gibt. Oftmals ergeben sich Sinnzusammenhänge anders als bloß durch die optische Erfassung eines Gegenstandes.
Bei dem Begriff „Migration“ klingelt es gleich glockenhell: Wie sehr spielt das Feld der Politik und der Soziologie mit rein in Ihr Werk?
Natürlich hat der Migrationsbegriff in der politischen Debatte der letzten Jahre eine große Rolle gespielt. Die Idee unsererseits war es allerdings nicht, die Debatte, wie sie in der Politik und den Massenmedien geführt wird, weiterzutragen, sondern vielmehr haben wir versucht, einen anderen Zugang zum Begriff zu wählen. Weniger präsent sind im öffentlichen Diskurs natürliche Migrationsprozesse von zum Beispiel Tieren und Pflanzen, die künstliche Grenzen selbstverständlich übertreten. Es sind unterschiedliche und ständig ablaufende Transformationen, die formgebend für die Welt und unser Zusammenleben sind, und an solche versuchen wir durch unser minimales Verschieben scheinbar träger Materie anzuschließen.
Die Land Art ist ja in den letzten Jahren ein wenig in Vergessenheit geraten, so scheint es. Machte es einen besonderen Reiz für Sie aus sich dieser Technik und Form der Kunstgeschichte wieder zu bedienen?
Ob die Land Art in Vergessenheit gerät, hat für uns ins diesem Zusammenhang keine besondere Relevanz und es geht uns auch gar nicht so sehr um ein Anknüpfen an diese. Man könnte „Erdmigration“ genauso gut als Aktion sehen. Ein Anschlussmoment an die Land Art ist allerdings ja auch durch die Konzeption des Festivals schon gegeben, indem dieses sich aus den Innenräumen der Kunst und hinaus ins Freie bewegt.
Nun produziert die Land Art im Allgemeinen – und gerade auch „Erdmigration“ im Speziellen – vor allen Dingen einen ephemeren Zustand, der sich nach und nach angleicht, synthetisiert, verschwimmt und auflöst. Steht dieser Aspekt im Mittelpunkt Ihres Werks – oder ist er gar nur der äußere Rahmen, in dem das eigentliche Werk stattfindet?
Den Mittelpunkt der Arbeit wollen wir den RezipientInnen nicht vorwegnehmen. Wir sehen uns lediglich in einer Position in der wir den BetrachterInnen Anknüpfungspunkte anbieten wollen, die zur Auseinandersetzung anregen. Das Interesse am Temporären und an Prozessen des Wandels ist für unsere Herangehensweise aber sicherlich von Relevanz.
Das Anthropozän ist gekennzeichnet durch die permanente Gestaltung des Planeten durch menschliche Hand und Eingriffe. Wie verorten Sie da die Kunst, und vor allen Dingen die Land Art, in diesem Spannungsfeld? Betätigen Sie sich da affirmativ oder als MahnerInnen?
Die Arbeit in diesem Kontext zu lesen, ist sicherlich ein möglicher Zugang zu „Erdmigration“. Im Prozess sind wir auf Fragen gestoßen, wie gestaltende Eingriffe in die Natur möglich sind und welche Konsequenzen diese haben (wenn wir beispielsweise an einer Transferstelle darauf hingewiesen wurden, dass hier keine Entnahme möglich sei, aufgrund einer invasiven Pflanzenart, die wir durch einen Austausch ebenso transferieren würden). In den letzten Monaten haben wir uns auch aufgrund der einzuholenden Genehmigungen viel mit der Thematik des Grundbesitzes und Naturschutzes auseinandergesetzt, also der Frage danach, wer wo welche Art von Eingriffen machen darf. Auch die Fragestellung, wie die Natur in so einem Setting nicht nur als Material, sondern viel mehr als Akteurin gesehen werden kann, ist nicht unwesentlich für uns.
Der Autor des Textes: Lars Fleischmann
Mehr Informationen zum Supergau für zeitgenössische Kunst
www.supergau.org