Silvi Spechtenhauser ist in Meran in Südtirol aufgewachsen. Nachdem sie den Humor wissenschaftlich in ihrem Psychologiestudium in Wien erforscht hat, ging sie nach Paris auf die Clownschule École Philippe Gaulier. Seit 20 Jahren arbeitet sie als CliniClownin in Wien und Niederösterreich und ist seit 2023 auch künstlerische Leiterin des Vereins. Sie gibt Clown- und Kreativworkshops im In- und Ausland, wo um besonders um das Entdecken der eigenen Potenziale geht. Silvi moderiert mit ihrer clownesquen Kunstfigur Frl. Brigitte Clown-, Comedy- und Zirkusfestivals, wie auch Kongresse zu psychischer und physischer Gesundheit und ist Regiesseurin für Kindertheaterstücke. Sie hat drei wunderbare aufgeweckte Töchter. Am liebsten mag sie italienischen caffé, Marillenknödel, die Südtiroler Berge, den Wiener Humor und Abendessen an langen Tafeln mit lebenslustigen Menschen aus aller Welt. www.silviaspechtenhauser.at
www.cliniclowns.at
Trotzdem
Den Widerständen des Lebens trotzen
„Lachen ist die beste Medizin“, „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns nicht der Kragen platzt.“ oder „Humorvolle Menschen sind sowieso attraktiver“.
Eh klar. Aber mal ganz ehrlich, so im echten Leben ist das mit dem Lachen und dem Humor nicht immer so einfach. Manchmal ganz schön schwierig, nicht aufzugeben und einfach im Selbstmitleid zu versinken. Oder?
Es ist Dienstag 12.00, wir besuchen die Kinderstation der Klinik Favoriten in Wien 1100. Wir, das sind mein Kollege Hr. Dr. Seltsam und ich Fr. Dr. Strudel.
Dr. Seltsam und Dr. Strudel sind nicht unsere echten Namen, es sind unsere Clownsnamen. Wir beide arbeiten schon seit vielen Jahren als CliniClowns. Im letzten Zimmer, das wir heute bei unserem Clowneinsatz besuchen, wohnt Ava (Das ist natürlich nicht ihr richtiger Name.). Wir kennen Ava schon seit mehreren Jahren. Sie hat eine unheilbare Krankheit, ihre Wirbelsäule ist leicht gekrümmt und sie ist kleiner als die meisten vierzehnjährigen Jugendlichen. Ava hat lange lackierte Fingernägel, lange schwarze Haare und den trockensten Humor, den ich jemals erlebt habe. Ava mochte uns CliniCowns nicht von Anfang an, sie war zu Beginn sehr skeptisch und fast abweisend. Ihr Augenrollen, wenn wir ihr zu kindisch waren, ist mir noch gut in Erinnerung. Mittlerweile ist „das kindliche Blödeln“ und das „schlechte Witze machen“ zu einem Spiel zwischen uns geworden. Ava ist cool. Sie sagt uns Clowns, wo es lang geht und gibt uns Tipps, wie wir nicht allzu peinlich rüberkommen. Die Situation, in der Ava ist, ist schwierig. Sie muss immer wieder für ein paar Tage ins Krankenhaus, sie kann sich nur langsam fortbewegen und ist eigentlich unter ständiger medizinsicher Beobachtung. Und trotzdem trotzt Ava immer wieder diesen Schwierigkeiten mit einem kecken Scherz über sich selbst oder die gesamte Situation.
Wenn man sich durch die Humorforschung liest, stößt man öfters auf das Zitat von Otto Julius Bierbaum Ende des 19. Jahrhunderts „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“. Es bringt die Wirkung von Humor treffend auf den Punkt:
Humor ist eine Trotzmacht, die uns hilft, den Widrigkeiten und Herausforderungen zu trotzen und dabei den Lebensmut nicht zu verlieren.
Der Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse Viktor Frankl, der selbst im Konzentrationslager war, beschreibt Humor als eine Fähigkeit, die uns hilft, uns von unseren Herausforderungen zu distanzieren. Wir befreien uns durch eine humorvolle Bemerkung über unser Problem, erheben uns wie ein Vogel, nehmen die Vogelperspektive ein und betrachten die Situation von oben. Wir nehmen die Situation und uns selbst nicht mehr so bitterernst und fühlen uns frei und doch verbunden mit der Welt. Wir entwickeln neue kreative Ideen, wie wir mit unserem Problem umgehen können und lachen für ein paar Momente über die Situation und auch über uns selbst. Das Lachen, das ist wissenschaftlich erwiesen, beschert uns viele physiologisch positive Effekte. Das alles macht uns resilienter, widerstandsfähiger, stressresistenter sagen wir widerstandstrotziger.
Diese Gedanken führen mich zurück zur Clownerie und zu all meinen wunderbaren CliniClownkollegInnen. Jede/r hat ihre/seine persönliche Clownfigur, die auf ihre Art besonders und eigen ist. Manche Clownfiguren sind gschaftig und von gutem Selbstwert genährt, manche frech und schelmisch, andere wirken erschrocken und verletzlich und andere wiederum sehr ungeschickt oder verträumt. Es existieren so viele Clownfiguren so wie es Menschen gibt, denn wir alle reagieren ganz unterschiedlich darauf, wenn wir scheitern bzw. in einem Problem feststecken. In der Clownerie gilt es die eigene individuelle authentische Clownfigur zu entdecken und zu entwickeln.
Alle Clownfiguren haben jedoch eines gemeinsam: sie rechnen mit dem Scheitern, sie geben nicht so schnell auf und haben Freude am einfach Da-Sein.
Wenn wir CliniClowns ins Krankenzimmer kommen, fragen wir indirekt immer „Was können wir jetzt und hier gemeinsam erleben?“. Während das Krankenhauspersonal fragen muss „Was fehlt?“ oder „Was tut weh?“, fragen wir Clowns „Was geht, was ist möglich?“.
Wir konzentrieren uns auf das Positive, auf das, was funktioniert und noch mehr, wir unterstellen allen Patient*innen die besten Eigenschaften und Möglichkeiten. Wir sind weitblickend, sehen das Positive in jedem Menschen, träumen gemeinsam von dem Großen, haben fantastische Ideen und wunderbare Vorstellungen von dem, was passieren wird.
Viktor Frankl nennt dies „idealische Unterstellung von Kompetenzen“, nur so könne der Mensch zu dem werden, wozu er wirklich fähig ist. Der Glauben an die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Menschen durch eine externe Person hilft den Menschen selbst, an sich selbst zu glauben und über sich selbst hinaus zu wachsen. Mutig wird Neuland erobert! Das erinnert mich an Pippi Langstrumpf: „Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.“
Laut Viktor Frankl scheint Sinn zu machen, nach den Sternen zu greifen und sich an das Große zu wagen am besten mit viel Humor und Selbstironie, so wie es Clowns machen: große Träume, aktuell wenig Ahnung wie man die Träume konkret umsetzt, viele Ideen und maximal geübt im Scheitern bzw. ausgestattet mit großer Frustrationstoleranz. Clowns vergessen schnell, was nicht gut gelaufen ist, sind gutgläubig, naiv, verzeihen umso schneller und haben ein großes Herz. Sie sind schnell entflammbar für neue Ideen, sind überschwänglich, ehrlich und auch sehr mutig. Eine clownesque Sichtweise zu einem meiner Probleme hat mir schon oft geholfen der Situation das Drama zu nehmen, mich emotional zu stabilisieren und erfrischt nach neuen Lösungen Ausschau zu halten.
Aber jetzt nochmal zurück zu Ava. Kurz bevor wir das Zimmer verlassen, spricht Ava manchmal noch ganz direkt über sich, wie es ihr geht und auch darüber, wie es laut all derer, die sie betreuen, weitergehen könnte. Ihre dunklen Augen schauen uns klar und offen an. Und dann, wenn es ruhig wird und wir Clowns sie gerade mitfühlend anschauen wollen, macht sie eine so treffende selbstironische fast schon sarkastische Bemerkung. Diese Bemerkung sitzt meist punktgenau und kommt doch so unvorhersehbar locker daher. Sie verhindert damit, dass sie als die Schwache gesehen wird und sie bewirkt, dass plötzlich noch mehr Liebe im Raum ist.
Wir lachen alle und berühren uns beiläufig. Jedes Mal denke ich aufs Neue, was für ein Geschenk es ist, dieses Mädchen besuchen zu dürfen. Sie ist für mich eine Heldin, die allen zeigt, wie man sich selbst treu bleibt und trotz all den Schwierigkeiten trotzdem nicht aufgibt. „Drauf gschissn, die glauben nicht, dass das gut für mich ist, aber ich will trotzdem Nageldesignerin werden!“ sagt Ava dann noch entschlossen, während sie mit ihren langen Nägeln auf den Tisch klimpert und ihre langen Haare kess nach hinten wirbelt.
Humor als Mittel, näher an Menschen und weiter weg von belastenden Themen zu kommen –
… damit beschäftigt sich auch das Krimmler Witzefachgeschäft beim Supergau 2025.
„Sitz ma ins zomm“ lautet der Aufruf, und neben der Möglichkeit, dem Witzefachgeschäft einfach so einen Besuch abzustatten und Witze reparieren, entsorgen oder recyclen zu lassen, sind auch “Storycircles” und Themenabende mit Gesprächsrunden geplant – z.B. mit Silvia Spechtenhauser am 31. Mai um 18:00 Uhr zum Thema “Humor und Resilienz”.
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Supergau – Wer bewegt hier eigentlich wen?
Sie fragen mich, was Supergau ist?
Sie fragen mich, ob das Land ernsthaft Geld für sowas ausgibt?
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Fangen wir mit dem letzten an und hören wir damit dann auch wieder auf: dem Gespräch.