Resident: Gerhard Oberholzner
“Da bin ich eher erdig”
Der Fotograf Bernhard Müller im Gespräch mit Gerhard Oberholzner, Moorführer in Ursprung und Resident für Anna Adensamer / Theaterstück Heilige Scheiße
Wo bist du aufgewachsen, was ist dein Werdegang?
Meine Wurzeln sind von da, also vom Bauern da, bis 1634 gehen die Wurzeln zurück. Der Vater hat gebaut in den 60er Jahren und das ist mein Elternhaus, da bin ich aufgewachsen. Dann bin ich in die Volksschule gegangen, Hauptschule, hab Tapezierer gelernt, Bodenleger war ich 10 Jahre, dann hab ich Probleme mit den Knien bekommen und zum Schluss hab ich in der Kläranlage Sickerwiesen gearbeitet, Boden gelegt, weil das neu gebaut worden ist und das hat mir ganz gut gefallen, das war interessant für mich und ich hab mich dann beworben und bin dann Klärwärter geworden. Ich hab als Hilfsarbeiter angefangen, hab dann die Klärwärterprüfung gemacht, da war ich dann auch wieder 10 Jahre und seit dem Jahr 2000 leb ich von der Keramik, das ist vom Hobby zum Beruf geworden. Die Maria (Gerhards Frau) hat mit dem Keramikern angefangen. Sie geht noch immer arbeiten und ich leb schon 20 Jahre davon.
Hast du dann eine Ausbildung zum Keramiker gemacht?
Ein paar Kurse. Ich hab mir dann selbst eine Brennofen zugelegt und das Arbeiten angefangen. Am Anfang hab ich durch die Kläranlage viel mit Edelstahl gearbeitet und mit Keramik kombiniert, da war ich einer von den Ersten, das Edelstahl ist dann aber immer teurer geworden und dann hab ich immer mehr Keramik für den Garten gemacht.
Du bist eigentlich nie von hier weggegangen, hat dich das nie gereizt?
Nein. Da bin ich eher erdig. Reisen tun wir schon, also wir haben schon die halbe Welt gesehen, Maria – meine Frau – und ich, das tun wir schon, aber wir fühlen uns wohl da, die ganze Familie rundherum, das ist alles Verwandtschaft, mein Bruder ist leider schon verstorben, aber die Cousins die leben auch da.
Was verbindet dich ganz persönlich mit Ursprung?
Ich bin da aufgewachsen. Von der Kindheit her das Unbeschwerte, im Wald Herumkraxeln, gefischt haben wir, da hat man den Urinstinkt ausleben können, das Jagen und alles. Und auch das Ursprunger Moor, da hab ich mich dann eingesetzt für die Renaturierung, weil als Kind hab ich halt dort immer Heidelbeeren gepflückt und alles mögliche haben wir dort gespielt und hab dann gesehen, wie sich das verändert hat. Aber auch der ganze Freundeskreis ist von da.
Hat dich in Ursprung etwas ganz besonders geprägt?
Ja, die Natur und ein bisschen war das auch die Feuerwehr, da haben wir eine kleine Feuerwehrzeugstätte gehabt und wir waren so ein kleiner Aussenzug, eine kleine eingeschworene Kameradentruppe, der vor 3 Jahren aufgelöst worden ist und wir haben dann privat mit ein paar alten Feuerwehrkollegen das Feuerwehrauto gekauft und haben einen Oldtimerverein gegründet. Und heut bin ich noch bei der Feuerwehr Elixhausen, wo wir eingegliedert worden sind. Aber nicht mehr sehr aktiv, jetzt müssen mehr die Jungen arbeiten. Die Ursprunger Feuerwehr war so ein Fixpunkt für mich – gegen die großen Elixhausener, da hat es immer so eine kleine Rivalität gegeben, zum Beispiel wer als Erster am Einsatz ist. Wir sind mit unserer kleinen Feuerwehr zu Dritt von unseren drei Häusern in ein paar Minuten losgestartet, das haben die anderen nicht zusammengebracht. (Gerhard lacht aus vollem Herzen) Und das prägt, weißt der kleine David gegen den großen Goliath. Aber das war immer lustig, nie ernst.
Ist Ursprung und Elixhausen für dich mehr von Kultur oder von Kunst geprägt?
Vom Vereinswesen. Wir haben schon immer sehr gute Vereine. Aber vor 20 Jahren ist der Kulturverein Kufelix (Kultur für Elixhausen) gegründet worden. Die haben sich an einem Kirtag vorgestellt und ich hab da auch gerade angefangen mit Keramik. Dann hab ich sie gefragt, was sie genau tun im Kulturverein. Ausstellungen haben sie gesagt. Und dann sind sie auch zu mir gekommen und ich hab natürlich fest gearbeitet, damit ich auch ein paar größere Stücke hab und mit dem Kufelix hab ich dann meine erste Ausstellung beim Hotel Gmachl gemacht. Die vom Kufelix sind noch immer aktiv. Und beim Supergau Festivalprojekt sind sie auch ein bisschen begleitend tätig, hat mir der Bürgermeister gesagt.
Was verbindest du mit dem Begriff Kunst?
Kunst? Kunst kommt von Können. Die Kreativität von den verschiedenen Menschen, das ist das Schöne. Wie sich jeder freien Lauf lassen kann und nicht zwanghaft das Eine machen muss. Die Handarbeit von den verschiedensten Menschen, das ist das Interessante. Und wenn einer zum Beispiel ein Bild malt und wenn man dann dahinterkommt, was er sich dabei gedacht hat, das ist dann das Spannende und Interessante. Wenn man irgendeine Kritzlerei sieht, und dann sieht, welche Geschichte dahintersteckt, das ist für mich das Spannende.
Kannst du dich an deine erste Begegnung als junger Mensch mit Kunst erinnern?
Ach das war spät. Am Anfang hab ich mit dem gar nichts anfangen können. Ich bin total ländlich aufgewachsen. Ich hab Tapezierer gelernt und da bin ich schon in Gebäude gekommen, in Hotels und so, und dann eigentlich die verschiedenen Stilrichtungen, die wir auch in der Berufsschule gelernt haben, wenn wir in der Residenz waren, Barock, Klassizismus, da ist es eigentlich eher losgegangen, eher von der Architektur her.
Welche Kunstausstellung hat dich tief bewegt?
Auf alle Fälle in Barcelona die Ausstellung von Joan Miro, die hat mich irrsinnig bewegt, die Klassiker in Wien wie Schiele, Klimt, die faszinieren mich noch immer. Wir sind auch vor drei Wochen im Lockdown nach Wien gefahren und sind in die Albertina gegangen. Das haben wir gebraucht, das ist so was Gutes und Schönes – unglaublich. Das ist uns so abgegangen durch Corona, wir haben einfach weg müssen.
Zeitgenössische Kunst im öffentlichen Raum ist ja eher im städtischen Umfeld zu finden, seien es Skulpturen oder Installationen. Auch du arbeitest als Handwerkskünstler mit Keramik und hast hier in Elixhausen/Ursprung den Kreisel an der Landstrasse mit Kunst im öffentlichen Raum gestaltet. Wie waren die Reaktionen der Bevölkerung?
Total positiv. Unglaublich. Es waren zwei Bewerber, ich hab mich auch beworben und hab mich mit Elixhausen befasst. Das sind sechs Säulen, in der Mitte das ist das Wappen von Elixhausen, das Haus der Äbtissin und rundherum die Ortsteile und das soll eine Gemeinsamheit bilden, weil die Strasse zerteilt ja Elixhausen. Ich hab dafür dann betoniert, Eisenbögen im Garten bearbeitet und die Autofahrer sind ein paar Mal um den Kreisel rumgefahren und haben mir gratuliert zu dem Kreisverkehr, auch die Einheimischen. Also gar nichts negatives, nur positives.
Du bist also der Meinung, dass Kunst im öffentlichen Raum positiv angenommen wird und auch als bereichernd wahrgenommen wird?
Ja auf alle Fälle. Und mich hats total gefreut, weil normal heißt es immer „Die Kuh im eigenen Dorf ist nichts wert“ und das hat mich dann schon sehr gefreut. Und bereichernd ist es unbedingt. Aber mit den Kreisverkehren ist es jetzt auch schon ziemlich vorbei. Es waren bei dem Kreisel schon etliche Diskussionen, dass es die Autofahrer nicht zu sehr ablenkt und wir mussten auch was ändern, dass der Kreisel nicht zu sehr vom Straßenverkehr ablenkt. Jetzt machen Sie eh nicht mehr viel, jetzt geben sie nicht mehr viel Geld aus und das ist voll schade, weil es so schöne Punkte sind, richtige Fixpunkte.
Würdest du dir mehr davon wünschen?
Für mich nicht, aber für andere Künstler. Für heimische Künstler, weil sie glauben immer…
Der Kreisverkehr in Lengfelden ist so negativ angenommen worden, der Künstler ist von Linz. Wenn`s ein heimischer Künstler gemacht hätt, wär das ganz was andres geworden. Irgendwie hat er mir natürlich geholfen, es ist ja ein tolles Kunstwerk, fast ein bischen zu groß, aber es ist halt so, aber wenn Sie da einen heimischen Handwerker, einen Schlosser, einen kreativen hergenommen hätten, dann wär das ganz anders. Weil die Bevölkerung dann eingebunden wäre.
Mit dem Theaterstück „Heilige Scheisse“ von Anna Adensamer wird in einer uralten Moorlandschaft zeitgenössische Kunst gezeigt. Du bist der Moorführer und warst auch federführend bei der Renaturierung des Moores, was hat dich veranlasst das Moor für zeitgenössische Kunst zur Verfügung zu stellen?
Da bin ich wie eine Jungfrau zum Kind dazugekommen. Ich bin regelmäßig im Moor drunten, und schau, wie es sich verändert und da sind da drei vier Leute gewesen und haben da umeinander fotografiert. Ich hab Sie natürlich gefragt, weil ich auf die Leut einfach zugehe, was sie da tun. Und da haben sie halt was von Supergau erzählt, das ist ja schon ein dreiviertel Jahr her, glaub ich. Dann haben sie mich zum Moor befragt und ich hab Ihnen was darüber erzählt, wie das entstanden ist und hin und her und die Anna hat das auch alles so aufgenommen, so wie du jetzt, und sie wollt dann gerne ein Führung mit mir machen. Dann hab ich eine Führung gemacht und dann haben sie gemeint, das muss eins werden, die Führung und das Theaterstück. Und ich find es spannend und lustig und ich bin da gerne dabei.
Du bist ja selbst in das Theaterstück als Moorführer eingebunden und führst die Besucher durch das Moor zum Ort der Aufführung. Wie siehst du hier für dich persönlich den Unterschied zu normalen Moorführungen?
Das wird schon anders. Weil die Anna, wie wir das erste Mal durchgegangen sind, ist auf die Idee gekommen, dass es so ist, als würde man durch den Körper, durch den Darm, also durch das Moor gehen, und der Magen das sind die Deiche, und das wird jetzt alles verbunden, das ist gar nicht so einfach. Die Ursula, die Clownin, die stellt mir teilweise Fragen und damit das mit der heiligen Scheisse zusammenpasst, das mit dem Darm, da müssen wir jetzt zusammenspielen. Das wird eine andere Führung, ganz anders.
Aber du kannst es empfehlen?
Auf jeden Fall, das wird voll spannend. Ja und die Besucher stellen dann auch Fragen und da weiß man nicht was daherkommt. Die Anna hat mir einige Seiten zusammengeschrieben, wie es laufen soll. (Gerhard lacht) Aber das muß von selber kommen.
Als Gastgeber der „Heiligen Scheiße“ wirst du sicher auch die ein oder andere Diskussion mit Anwohnern führen, rechnest du vielleicht sogar mit Widerstand aus der Bevölkerung oder wird das Festival eher positiv und als Bereicherung aufgenommen?
Ja sicher, die Konservativen, denen gefällt das nicht, da bin ich mir sicher, aber den Kreativen. Da bin ich mir ganz sicher. Und ich halt das aus, da hab ich kein Problem damit. (Gerhard lacht wieder herzhaft) Ich find es gut, und das ist so wichtig jetzt in der Coronazeit, dass wieder was weitergeht mit den Schauspielern, das ist so wichtig. Darum setz ich mich auch dafür ein, dass das passieren darf.
Könntest du dir vorstellen, dass sich nach dem Festival das Moor auch als Ort der Kunst eignet, vielleicht sogar mit Objekten, die dauerhaft verbleiben oder siehst du das getrennt?
Das ist ein Naturschutzgebiet und das seh ich überhaupt nicht. Das Moor soll seine Ruhe haben. Man darf eigentlich gar nicht reingehen, nur durch Führungen wird es mal gestört, dann soll es wieder seine Ruhe haben, das soll auch nicht touristisch genutzt werden. Es gibt einige Wege, Schönram und Ainring, da gehen die Wege mitten durch, aber das Ursprunger Moor ist einfach zu klein. Die Tiere und die Pflanzen brauchen Ruhe.