Salzburger Land

Baukultur in ländlichen Räumen – Chancen für Zukunftsprojekte des Tourismus

Baukultur in ländlichen Räumen

Chancen für Zukunftsprojekte des Tourismus

 

Der Verein LandLuft arbeitet an der Förderung, Erforschung und Vermittlung von Baukultur in ländlichen Räumen. Leerstand ist dabei ein wichtiger Aspekt: „Von vielen wird das negativ gesehen – ich sehe aber das Potenzial, wenn man die leerstehenden Gebäude nicht nur ruhen lässt, sondern sich damit auseinandersetzt.“, sagt Uli Böker, stellvertretende Obfrau des Vereins LandLuft.

 

 

(c) Verein Landluft, Screenshot der Startseite von www.landluft.at

Screenshot der Startseite www.landluft.at, Verein Landluft

Eine umfassende Leerstandsanalyse braucht Zeit, kostet Geld und setzt klare Kriterien voraus, was als Leerstand gilt. Gemeinden brauchen dafür Unterstützung von Land und Bund – nicht zuletzt auch, indem Sanierung von Altbestand höher gefördert wird als der Bau „auf der grünen Wiese“. Die Verfügbarkeit von Leerstand ist ein weiterer Schlüssel – ohne die Bereitschaft der Eigentümer*innen kommen auch die besten Konzepte nicht zur Umsetzung.

„Es ist nicht einfach, aber es geht. Es braucht den Willen, es zu tun.“

Uli Böker war von 2003 bis 2015 Bürgermeisterin von Ottensheim. Die Marktgemeinde in Oberösterreich gilt als Vorreiterin für Baukultur im ländlichen Raum und wurde einerseits für  das „Neue Amtshaus“ 2010 mit dem Österreichischen Bauherrnpreis und 2010 und 2012 für vorbildliche baukulturelle Prozesse mit dem Baukultur-Gemeindepreis ausgezeichnet. Zum Gespräch treffen wir Uli Böker in der „PostWerkStatt“, einem CoWorking-Space im ersten Stock des „Gasthofs zur Post“ im Zentrum von Ottensheim. Dort, wo früher Hochzeiten stattfanden und viele kulturelle Veranstaltungen, befindet sich jetzt ein heller, gemütlicher Seminarraum, und zwischen Regalen aus stabilem Pappkarton und vielen Pflanzen 15 Arbeitsplätze, die flexibel oder dauerhaft gemietet werden können. CoWorking-Spaces bieten auch im ländlichen Raum eine attraktive Alternative zu langem Pendeln und der „Einsamkeit des Homeoffice“. Auch im Oberpinzgau gibt es in Krimml und in Mittersill entsprechende Angebote (www.pinzhub.at).

Dem preisgekrönten Umbau des Amtshauses folgte in Ottensheim ein zweijähriger, begleiteter Ortskernentwicklungsprozess: Nach der Bestandsaufnahme wurde eine Raumbörse initiiert. Menschen, die Raum haben, wurden eingeladen, sich bei Stammtischen mit Menschen zusammen zu setzen, die Raum brauchen. Ein Ergebnis dieses Prozesses war, dass sich wieder mehr Menschen für den Ortskern interessierten. Bürgerbeteiligung ist ein wichtiger Aspekt, in dem sich jene Gemeinden, die erfolgreiche Baukultur-Projekte umsetzen, von anderen unterscheiden. „Diese Gemeinden sind sich bewusst, dass sie da einen Schatz haben, den sie beschützen müssen.“ beschreibt es Uli Böker und erzählt von der Bedeutung von Mobilitätskonzepten bei neuen Siedlungsentwicklungen oder dem Angebot regelmäßiger Bauberatungen von Seiten der Gemeinde, z.B. bei Umbau oder Neubau. „Damit kann man viel abfedern.“

In Österreich sind es v.a. Vorarlberger Gemeinden, die sich im Bereich Baukultur besonders hervortun – dabei geht es nicht nur um das „eine, besonders schöne Gebäude“. Die Gemeinde Göfis hat z.B. Flächen angekauft, um selbst bestimmen zu können, was mit diesen Flächen passiert und öffentliche, konsumfreie Räume zu schaffen.

Leerstandskonferenzen

Seit 2011 organisiert nonconform regelmäßige Leerstandskonferenzen zu unterschiedlichen Schwerpunkten – z.B. zum Thema Leerstand im Tourismus (2016) oder leerstehende Bauernhöfe (2017). Die verlinkten Dokumentationen enthalten Beispiele für erfolgreich umgesetzte Projekte: Von sanften und zugleich innovativen Zu- oder Umbauten alter Höfe, Kuhställen, die nun Galerien beherbergen, Schaukäsereien, Hofläden und Kooperationen zwischen Biobauern und Projekten für langzeitarbeitslose Menschen bis hin zu „Urlaub am Bahnhof“ (Ferienwohnungen in einem alten Bahnhofsgebäude) oder der Buchungsplattform „amavido“, die familiäre Unterkünfte in italienischen Dörfern vermittelt und so „slow tourism“ fördern und das Leben in kleinen Orten bewahren möchte.

 

Leerstand in Tourismus-Regionen

In der Schweiz engagiert sich die Stiftung „Ferien im Baudenkmal“ seit 20 Jahren an der Schnittstelle von Tourismus und Denkmalpflege für den Erhalt von bauhistorisch wertvollen Gebäuden. Diese werden restauriert und für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht – als Ferienobjekte. Vorbild für die Gründung der Stiftung war 2005 die britische Initiative „The Landmark Trust“.

In Italien wird bei den „Alberghi Diffusi“ gleich das ganze Dorf zum Hotel. Die Gäste nächtigen in unterschiedlichen Gebäuden, es gibt zentrale Anlaufstellen im Ort, wie eine Rezeption oder das Frühstückscafé, und das Management der Unterkünfte liegt in einer (lokalen) Hand. Die Idee stammt von Giancarlo Dall’Ara und hat mittlerweile auch in anderen europäischen Regionen Nachahmer gefunden. Uli Böker erinnert sich in diesem Zusammenhang an die „Pixel Hotels“, die als Teil der Kulturhauptstadt Linz09 umgesetzt wurden. Viele Informationen sind zu diesem Kunstprojekt, das durchaus angedacht war, in einen regulären Betrieb überzugehen, aber heute nicht mehr zu finden.

 

Was braucht es, um das Potenzial von Leerstand zu nutzen?

Leerstand hat nicht nur soziale Auswirkungen – auch die Infrastruktur leidet, wenn z.B. Kanalisationsrohre nicht mehr regelmäßig durchspült werden. Trotzdem – wie schon eingangs erwähnt, ist Leerstand nicht nur Anlass zur Schwarzmalerei. Ein wunderschönes Plädoyer für das Potenzial, das im Leerstand liegt, ist der Beitrag von Simone Barlian für das Supermag (“Leerstand – die stille Syntax einer möglichen Zukunft”).

Wesentliche Voraussetzung, um dieses Potenzial nutzen zu können, sieht Uli Böker hier:

„Es braucht einen „Ortskern-Kümmerer“ (das ist z.B. in der Gemeinde Trofaiach sehr gut umgesetzt). Idealerweise arbeitet diese Person in starker Anbindung an die Gemeinde. Am besten wäre es, die Gemeinde hat die finanziellen und gesetzlichen Möglichkeiten, eine Person anzustellen, die sich des Themas annimmt – so lange es relevant ist. Dann kann man sich wieder anderen Potenzialen widmen.“

Die Pressekonferenz zur nächsten Ausschreibung des Baukultur-Preises des Vereins LandLuft wird übrigens im September stattfinden – vielleicht dann ja auch mit Preisträger-Projekten aus dem (Ober-)Pinzgau?

 

Weitere Informationen:

In Salzburg engagiert sich die SUPER Initiative für die Nutzung von Leerständen als Handlungsräume für Kultur und Wissen: https://www.super-initiative.at/

Basisinformationen zum Thema Leerstand, übersichtlich und verständlich aufbereitet, findet man übrigens hier: Handbuch „Leerstand mit Aussicht“

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