Salzburger Land

Janice Jensen über ihr Erlebnis Camping Campus im Flachgau

März 2021, es ist Pandemie, das zweite Jahr. Ich erinnere mich, wie wir vor einem Jahr dachten, das ist alles in zwei Wochen vorbei und starre die Wände in meinem Zimmer an. Inzwischen räume ich nicht mehr die Ecke auf, die man in meinem Zoom-Fenster im Hintergrund sehen kann, machen die anderen auch nicht mehr. Mir kribbelt es in den Beinen, irgendwas muss passieren, ich muss raus, wieder merken, dass anderswo Dinge existieren, meine Quadrate verlassen. Eine Freundin schickt mir einen Open Call, Camping Campus beim Supergau, sie meint, ich soll mich bewerben, sie hat gehört, das soll gut werden. Ohne nachzuforschen, wo das Ganze stattfindet und aus unerfindlichen Gründen auch unter der Annahme, mit Camping Campus wäre nicht wirklich CAMPING Campus gemeint, bewerbe ich mich.
Die Restriktionen bleiben bestehen und ich rechne schon damit, dass das Ganze abgesagt wird, bis ich, zwei Wochen bevor es Ende Mai 2021 losgeht, Bescheid bekomme, dass Lisa und Lea sich schon freuen, uns in Hof bei Salzburg zu begrüßen. Erst da wird mir klar, dass ich nach Österreich fahren werde, dass das schon ernst gemeint war mit dem Campen und dass ich dafür auch dementsprechend ausgerüstet sein muss. Von Bielefeld nach Salzburg, das ist schon weit, mit einem großen Wurfzelt und Backpack nochmal ungefähr zwei bis dreimal so weit, aber ich bekomme es irgendwie hin, sogar den richtigen Bus erwische ich, der mich von Salzburg unter den mitleidigen Blicken aller anderen Mitreisenden irgendwo in das Umland bugsiert. Ich bin ein bisschen nervös, keine Ahnung auf was ich mich hier eingelassen habe und wer das sonst noch so wartet. Nachdem ich erstmal zielstrebig an unserem Camp vorbei einen Feldweg ins Grüne hoch stapfe, werde ich eingesammelt und lerne den Ort kennen, an dem wir die nächsten zehn Tage verbringen werden. Es ist später Nachmittag und alle scheinen schon Aufgaben gefunden zu haben, wir campen unterhalb einer Pension, gerade wird an einer Holzkonstruktion, auf der wir unsere Zelte aufschlagen, gewerkelt. Nachdem ich herumgeführt wurde, versuche ich eifrig beim Stegbau für unsere Zelte mitzuwirken. Am Abend sitzen wir zusammen, ich erfahre das viele der anderen Camper*innen in Linz studieren, Social Sculpture oder Architektur, klingt spannend. Eine andere Person kommt aus Leipzig und ist Tänzerin, außerdem soll in den nächsten Tagen noch eine Gruppe von Schauspielstudierenden vom Mozarteum in Salzburg zu uns stoßen. Die Pension wird als Office genutzt, unten auf dem Hof wurde eine Garage als Werkstatt umfunktioniert, wir haben eine kleine improvisierte Küche, im Garten finden Veranstaltungen statt und wir können im Trockenen sitzen. Außerdem gibt es ein kleines Gartenhaus, in dem eine Live-Kamera installiert ist, wir planen sofort dort im Big Brother Style unser Campleben zu dokumentieren. Die Pension liegt an der großen Straße die durchs Dorf führt und nach hinten raus an Feldern, aus der Ferne erkenne ich eine Holzlattenkonstruktionen, einzelne längliche Gerüste, alle in gleichem Abstand zueinander, von weitem sehen sie aus wie eine holzige Stonehenge-Adaption. Nein eigentlich nicht, weil nicht rund, aber ungefähr genauso heilig, weil, wie ich erfahre, ist das der Superort. In den nächsten Tagen lernen wir uns als Gruppe kennen und erkunden die Umgebung. Außerdem müssen wir überlegen, wie wir unsere Zeit hier nutzen wollen, worauf wir Lust haben und was getan werden muss, wie zum Beispiel einkaufen gehen und kochen und ob wir an unserer räumlichen Camp-Situation noch etwas verändern möchten. Man könnte beispielsweise einen Bereich bauen, an dem wir gemeinsam an Projekten arbeiten.

Der Camping Campus ist aber auch ein Ort, an dem immer etwas los ist, wodurch sich vieles einfach ergibt und die Tage oft eine unerwartete Wendung nehmen. Besucher*innen verlaufen sich aufs Gelände und sind gespannt, was das hier alles soll, es finden Konzerte und Talks unter dem Dach im Garten statt, die Werkstatt ist für verschiedenste Aufgaben durchgängig in Betrieb, Künstler*innen treffen sich mit den Organisator*innen oder alle essen gemeinsam Suppe mit Brot und Käse. Manchmal ist es auch schwer zu entscheiden, will ich grad Teil von dem hier sein oder brauche ich etwas Zeit für mich? Wohin kann ich mich zurückziehen und ist es schlimm, einmal etwas zu verpassen, auch wenn alle anderen dabei sind? Wir merken schnell, dass es uns wichtig ist, eine gemeinsame Tagesstruktur zu finden, Zeiten für Mahlzeiten festzulegen, zu überlegen, wer wohin fahren möchte und sich nicht zu viel vorzunehmen, um spontan zu bleiben.  Jede*r bringt etwas mit und es ist schön, sich darauf verlassen zu können, dass immer jemand für Programm sorgen wird. Teilweise möchten wir auch eigene Projekte umsetzen, die wir vor Ort entwickelt haben, wir geben uns bei regelmäßigen Treffen Feedback zu den Ideen. Vieles vermischt sich und irgendwie stecken alle auf eine Art und Weise auch in der Arbeit der anderen. Wir besuchen außerdem die Künstler*innen, die hier im letzten Jahr ihre Projekte entwickelt haben und kommen in Austausch zu deren Prozesse, wie aus der anfänglichen Idee die Umsetzung vor Ort passieren konnte, was sich verändert hat, welche Absprachen getroffen werden mussten und wie viel Hilfe von den Bewohner*innen des Flachgau in jeder Arbeit steckt. Manche Künstler*innen binden uns auch in ihre Projekte ein und wir verbringen eine irre Nachtbusfahrt von Salzburg nach Hof zu unserem Camp mit dem Kollektiv Bustopia, bei der wir Teil einer Castingshow werden und sich interessante Dynamiken mit den anderen Mitfahrer*innen und deren Reaktionen entwickeln. Meistens wird alles ganz anders als man anfangs dachte und für uns ist es genau die richtige Zeit, sich genau darauf einzulassen. Dadurch, dass nicht nur wir als Camper*innen, sondern auch viele andere in das Festival involvierte Menschen, für zehn Tage vor Ort sind, leben wir zusammen im gleichen Rhythmus und es ergeben sich ständig neue, spannende Verbindungen. Außerdem schließen wir auch viele Bekanntschaften mit den Bewohner*innen von Hof, wo das Camp und die Pension liegen, abends finden sich dort meistens alle unter dem Dach im Garten zusammen, es gibt Essen, Musik, Bier und oft schmeißen wir den Ofen an. Außerdem sind wir des öfteren auf Hilfe angewiesen, mal geht es um warme Decken, dann Küchenutensilien, ein Auto geht kaputt, Werkzeug… Immer wieder sind wir sehr dankbar, wie unkompliziert und schnell uns geholfen wird und fühlen uns gut aufgehoben. Nach zehn Tagen und Nächten draußen und Unterwegssein endet unser Camping Campus beim Superort, oben auf der Wiese, auf den Strohballen, die teilweise aus der Installation entfernt wurden. Wir sind alle sehr müde und liegen auf dem Stroh in der Sonne, man hört Musik, wir tragen unseren Kiosk auf den Berg und fragen uns, wie sich zehn Tage so lang und so kurz gleichzeitig anfühlen können.

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