Flora Schausberger – Sirrende Mücken im surrenden Licht
Flora Schausberger – Sirrende Mücken im surrenden Licht
Bus 150 – Haltestelle Strobl Busbahnhof
14.–24.05.2021, Fr–So 15:00–18:00
Essayistischer Audiowalk durch Strobl
Der Abriss eines Grandhotels, ein virtueller Fußballplatz, Blätterrauschen als Phantomgeräusch gefällter Bäume: Dieses Projekt ist so viel mehr als ein Hörspiel zum Spaziergang. Flora Schausberger ermöglicht eine Reise, die zugleich durch imaginäre wie wirkliche Orte führt, die einander überlagern. Ihr akustischer Essay ist ein interaktiver Gang durch Strobl, der den Blick schärft und die Aufmerksamkeit auf spannende Details richtet. „Sirrende Mücken im surrenden Licht“ verwebt Vergangenes, Gegenwart und verschiedene Varianten der Zukunft. Der Audiowalk gibt den Impuls, die Routine des Alltags wie auch die lineare Zeitwahrnehmung zu unterbrechen. Flora Schausberger, Jahrgang 1987, studierte Literaturwissenschaften in Berlin, Comparative Arts and Media Studies in Amsterdam und Critical Studies in Wien. Sie arbeitet als Kunst- und Kulturorganisatorin sowie als Künstlerin. Ihre Großeltern stammen aus Strobl, sie hat dort in ihrer Kindheit viel Zeit verbracht und fährt nach wie vor jedes Jahr mehrmals dorthin auf Besuch.
Vor dem Experimentellen und Künstlerischen das Pragmatische: Was sind die Eckpunkte deines akustischen Spaziergangs durch Strobl?
Der Spaziergang dauert eine halbe Stunde, die Strecke beträgt circa 1,5 Kilometer. Es gibt eine barrierefreie Variante, in der ich eine kleine Abweichung anbiete, wenn jemand die betreffende Passage nicht schafft. Es gibt sechs Termine, an denen ich von 15 bis 18 Uhr am Ausgangspunkt sein werde und Geräte verleihe, man kann den Walk aber auch mit dem eigenen Handy online machen. Ich empfehle, alleine zu gehen, um nicht abgelenkt zu sein. Der Start ist im Park vor der Deutschvilla. Ich habe entschieden, dass die Route nicht über den Hauptplatz führt, sondern so, dass auch die Bewohnerinnen und Bewohner von Strobl an für sie eventuell nicht gewohnte Orte kommen. Es soll nicht nur für Besucherinnen und Besucher interessant sein!
Umwege sind erwünscht und möglich?
Man bekommt den Weg angesagt, zur Sicherheit gibt es eine Karte. Es ist tatsächlich ein strenges Format, man sollte schon dem Weg folgen, um das volle Erlebnis zu haben. Wer schwimmen gehen möchte, kann aber auf „Pause” drücken.
Das werden im Mai nicht zu viele sein…
Nein! (lacht)
Was hat es mit den titelgebenden Mücken auf sich?
Das kommt vom Gerücht, dass der Park, in dem der Walk startet, in einen Fußballplatz umgewandelt werden soll. Ich habe mir das veranschaulicht und dabei die Flutlichter gesehen, daher kommen die sirrenden Mücken. Dann habe ich im Nachhinein gemerkt, dass Mücken gar nicht vom Licht angezogen werden, eher Käfer und Motten… (lacht) Aber das macht eigentlich nichts! Ich fand lustig, dass nicht alles stimmt. Und es gibt ja auch das surrende Licht der Scheinwerfer im Titel.
Außerdem gehört das Sirren der Mücken sehr wohl dazu, die kommen ja auch, und sei es nur, weil man beim Fußballspielen schwitzt… Genau!
„Immersion” ist ein sehr wichtiger Zugang zu deiner künstlerischen Arbeit. Dein geführter Spaziergang findet in der Gegenwart statt, bezieht sich aber zugleich auf Vergangenes und mögliche Zukünfte.
Immersion heißt ja im Prinzip, dass man eintritt in eine fiktive Welt, und vergisst, dass man sich nicht real in ihr befindet. Das Tolle an der Erfahrung eines Audiowalks ist, dass sich in diesem Format zwei Welten überlagern. Einerseits die reale, in der man geht, andererseits die gehörte – und dabei entsteht eine dritte Welt im Kopf der Gehenden.
Du gehst von einem Gerücht aus, verhandelst Historisches und Geplantes, Gefundenes und Konstruiertes. Dein gehörter Essay lässt sich also nicht festlegen.
Der Audiowalk lädt ein, den Boden der Realität zu verlassen und sich auf einen experimentellen Spaziergang durch den Ort zu begeben. Die Grenzen zwischen Fiktion und Dokumentation fließen.
Ist es erwünscht oder gar Absicht, wenn Ton und Bild manchmal auseinanderlaufen oder vordergründig nicht zusammenpassen?
Auf jeden Fall. Es wird Momente geben, in denen etwas passiert, in denen ich Sachen beschreibe, die es nicht mehr oder noch nicht gibt. Es können sich auch zwischen der Produktion und dem Anhören des Audiowalks Details verändern, das gehört dazu.
Das Hörereignis ist ein Patchwork an Tönen, Geräuschen, Texten – das Sehen und Assoziieren übernehmen die Spazierenden?
Es gibt eine Dramaturgie, es ist wie ein Hörspiel, das man beim Gehen hört. Ich spreche einen Text, dazu hört man Atmosphäre, Originaltöne, aber auch künstlich erzeugte Klänge, die mit dem, was man sieht, nicht übereinstimmen.
Was ist dein spezifischer Zugang zu Strobl?
Primär ein biographischer. Meine Großeltern haben dort gelebt. Seit meiner Kindheit bin ich immer wieder dort, im Sommer früher oft etliche Wochen am Stück. Das Haus meiner Großeltern gibt es noch, es wird gerade renoviert. Mein Opa ist gestorben, meine Oma lebt im Altersheim – sie sieht übrigens den Start des Audiowalks, wenn sie aus dem Fenster schaut.
Wie sollen die Spazierenden am Ziel ankommen, was soll sich für sie nach dieser halben Stunde verändert haben?
Ich wünsche mir, dass sie dann Dinge entdeckt haben, die sie sonst nicht wahrgenommen hätten; dass sie eintauchen in den Audiowalk, wie man einen Film ansieht oder ein Buch liest, und dann mit einem anderen Blick zurückkommen in ihren Alltag – oder auch nicht! Es geht mir um die verschiedenen Möglichkeiten, wie man einen Ort wahrnehmen kann.
Wie geht es dir mit dem Gegensatz von Stadt und Land? Sehe ich es richtig, dass es dir darum geht, auch die Vielschichtigkeit ländlicher, zuweilen touristisch überformter Orte zu zeigen?
Ich habe in Wien und in Graz gearbeitet, aber noch nicht am Land. Es soll jedenfalls nicht um das gehen, was man aus dem Reiseführer ohnehin erfahren könnte. Ich versuche, andere Dinge zu finden, als jene, die man eh nachlesen kann. Kleinigkeiten, die man sonst übersieht, Absurditäten abseits der großen Erzählungen – ich habe kuriose Dinge über Strobl herausgefunden, zum Beispiel aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs…
…die wir hier nicht verraten, damit die Spannung erhalten bleibt! Gibt es neben „Sirrende Mücken” ein Supergau-Projekt, das dich besonders interessiert und das du empfehlen möchtest?
Spannend finde ich das Projekt Erdmigration von Anna Stadler und Lukas Gwechenberger. Da gibt es gar nicht so viel zu sehen, wohl aber zu denken: Würfel werden an einem Ort aus dem Boden gestochen und in einer völlig anderen Umgebung wieder eingesetzt. Ein spannendes Experiment! Außerdem das Projekt Belvedere Flachgau von Maria Kanzler und Fabian Ritzi, eine Aussichtsplattform auf der Eni-Tankstelle in Strobl. Vielleicht kann man von dort oben dann die Leute beobachten, die gerade den Audiowalk machen.
Bei Abdruck ist die Autorin des Textes zu nennen: Domenika Meindl
Mehr Informationen zum Supergau für zeitgenössische Kunst
www.supergau.org