Salzburger Land

Clemens Mairhofer – Tribunal

Text und Interview: Leonie Pfennig

Kann man Elektrizität hören? Der Künstler Clemens Mairhofer geht dieser Frage in seinem Projekt Tribunal
auf den Grund. Eingebettet in hügelige Wiesen und Wälder steht in der Gemeinde Elixhausen das
Umspannwerk der Austrian Power Grid AG, wo Clemens Mairhofer seine für den Supergau konzipierte
Soundarbeit präsentieren wird. Mit Blick auf das vor den Augen flirrende, sich immer weiter multiplizierende
Gerüst aus Masten, Stangen und Kabeln, können die Besucher*innen einer Komposition lauschen, die
Mairhofer mit Soundaufnahmen von diesem Ort geschaffen hat.

Leonie Pfennig: Deine Arbeit für das Supergau Festival heißt Tribunal. Kannst du uns mehr über den
Entstehungsprozess erzählen?
Clemens Mairhofer: CM: Ich arbeite gerade am Feinschliff einer Komposition, die dort zu hören sein wird.
Dafür habe ich vor Ort Field Recordings gemacht, Sound-Aufnahmen vom Umspannwerk und der
Umgebung. Die Aufnahmen mache ich hauptsächlich mit einer Spule, einer Art Antenne, die die
elektromagnetischen Felder hörbar machen kann. Das Umspannwerk produziert sehr starke
elektromagnetische Felder. Mit der Antenne kann man sozusagen den Strom hörbar machen.

LP: Wie muss man sich das technisch vorstellen mit der Aufnahme durch die Spule?
CM: Die Spule ist ein ganz simples Gerät, das gerne für experimentelle elektronische Musik verwendet wird,
um diverse Geräte im Innen- oder Außenraum abzunehmen. Die spezielle Spule, die ich verwendet habe, ist
eher für großflächige Aufnahmen dimensioniert. Aber im Prinzip ist es ein isolierter Kupferdraht mit 300
Windungen und die zwei Enden werden direkt an ein Mikrofonkabel angelötet.

LP: Wie kam es zur Auswahl dieses Ortes, des Umspannwerks?
CM: Ich muss dafür ein bisschen ausholen. An dieser Stelle liegt der Ausgangspunkt der Trasse für die neue
380 kV-Stromleitung. Dieser Abschnitt, der durch den Flachgau geht, ist laut Betreiberfirma wie ein
Flaschenhals der österreichischen Energieversorgung. Es gibt ein Ringnetz, aber dieser Abschnitt ist nicht
ausgebaut auf 380 kV, was ein Problem ist für die Netzstabilität und auch wegen der Windenergie, die im
Osten Österreichs gewonnen und in den Speicherkraftwerken im Westen gespeichert werden soll. Deshalb
drängt die Betreibergesellschaft darauf, diese Lücke zu schließen, um die Kapazitäten aus den
Windkraftwerken speichern zu können. Dazu müssten neue Strommasten gebaut werden und daran hat sich
bekanntlich eine Diskussion entbrannt.

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LP: Was war zuerst da, der Ort, also das Umspannwerk, oder die Idee, Strom hörbar zu machen?
CM: Mein Ansatz war, eine Arbeit zu machen zu einem Thema, das eine gewisse Relevanz hat für die
Menschen, die dort leben, und da ich mich in meiner Arbeit für elektromagnetische Sounds interessiere hat
das gut funktioniert. Als ich dann festgestellt habe, dass dieses Umspannwerk tatsächlich sehr malerisch in
der Landschaft liegt, mitten zwischen Wald und Feldern und im Hintergrund das Alpenpanorama, war für
mich sofort klar, wo die Tribüne stehen könnte, das hat sich gut gefügt.

LP: Das Thema lässt sich ja auch global weiterdenken und ist nicht nur lokal an diesem Ort von
Bedeutung.
CM: Genau, unsere komplette Zivilisation ist abhängig von Strom. Ein Stromausfall größeren Ausmaßes
würde uns sofort zurück in die Steinzeit katapultieren, da ist es einfach finster, wortwörtlich. Das sind
Themen, die einem vielleicht durch den Kopf gehen könnten, wenn man dort sitzt und auf diese riesige
Maschine blickt, die eigentliche Infrastruktur, die hinter unserem komfortablen Leben steckt. Ähnlich ist das
mit dem Internet, das ist so abstrakt und ungreifbar für uns, aber irgendwo stehen diese riesigen
Serverfarmen, die das Netz am Leben erhalten …

LP … die auch wieder von Strom abhängig sind.

CM: Ja, und dann kommt auch noch eine zweite Sache hinzu – die großen Stromfresser sind natürlich die
Städte, die dazugehörige Infrastruktur ist aber meistens im ländlichen Bereich. Diese großen Eingriffe in die
Natur würde man nicht brauchen, wenn man nicht diese enormen urbanen Ballungszentren hätte.

LP: Arbeitest du generell immer ortsspezifisch und lässt dich von Orten inspirieren?
CM: Ja, absolut, das finde ich immer die spannendere Herausforderung, auf einen Ort wirklich einzugehen
und eine Arbeit zu entwickeln, die im Zusammenspiel mit dem Ort entsteht, das ist sehr viel reizvoller als
generische Galeriekunst. Und der öffentliche Raum hat natürlich seine speziellen Herausforderungen, da
muss man andere Dinge beachten.

LP: Ich würde gerne noch mal auf deine Arbeit mit Sound eingehen und dich fragen, ob das für dich
eher ein künstlerisches Material ist, also ein Mittel zum Zweck, oder geht es eher darum, im Ergebnis
eine Soundarbeit zu produzieren, weil das deine präferierte Ausdrucksform ist?
CM: Sound ist definitiv ein Medium, mit dem ich sehr gerne arbeite und das ich glaube ich auch inzwischen
ganz gut verstehe, weil ich mich schon sehr lange mit akustischen Überlegungen beschäftige. Aber
grundsätzlich sind meine Arbeiten eher konzeptuell, im Endeffekt muss das Medium der Idee dienen.

LP: Welche Rolle spielen für dich Kollaborationen? Du arbeitest ja auch in einem Künstlerkollektiv
und der Supergau ist im größeren ja auch eine Form der Kollaboration.
CM: Im FAXEN Kollektiv arbeiten wir schon seit über 16 Jahren zusammen, inzwischen weniger intensiv als
früher, weil wir in anderen Städten wohnen und jeder auch eine eigene künstlerische Praxis hat, aber
grundsätzlich ist es mir immer sehr angenehm gewesen, im Kollektiv zu arbeiten, weil ich diesen
Ideenaustausch sehr schätze. Ideen werden in die Runde geschmissen und diskutiert und wieder verworfen,
der ganze Prozess ist immer sehr spannend. Das ist jetzt anders, aber ich hole mir den Austausch dann an
anderen Stellen.

LP: Und wie hat dieser Austausch und das gegenseitige Feedback geben im Rahmen von Supergau
stattgefunden?
CM: Es hat vor allem bei den Residencies stattgefunden, die wir mit allen Teilnehmenden hatten. Ich war
schon relativ früh fertig mit meiner Idee und habe dann weiter überlegt, ob ich noch etwas hinzufügen sollte,
aber das Feedback der anderen hat mich dann eher darin bestärkt, bei dem ursprünglichen Entwurf zu
bleiben, den ich eingereicht hatte. Ich hatte das Glück, dass der Bauer, auf dessen Feld die Tribüne steht
auch direkt mit an Board war, das Ausleihen der Tribüne hat funktioniert, die Produktion war super
organisiert und ich konnte mich auf die Komposition konzentrieren.

LP: Zurück zu deinem Beitrag für Supergau. Was erwartet die Besucher*innen, wenn sie sich auf
deine Tribüne setzen?
CM: Vor Ort bekommt man einen Kopfhörer, mit dem man sich eine Klangkomposition anhören kann, die
ungefähr so lange dauert wie es braucht, einmal rund um das Umspannwerk herum zu gehen, knapp zehn
Minuten. Das Stück fängt damit an, dass man Schritte hört, die sich annähern, und allmählich werden die
elektromagnetischen Klänge hörbar, aber eingebettet in das „echte“ Soundscape vor Ort. Es entsteht also
der Eindruck, dass man das Umspannwerk tatsächlich hören kann. Die Aufnahmen vor Ort sind nur minimal
bearbeitet, aber natürlich arrangiert, um einen Spannungsbogen und eine gewisse Dynamik zu erzeugen.

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Clemens Mairhofer (geb. 1984) lebt und arbeitet in Linz, wo er 2011 seinen Abschluss in experimenteller
Gestaltung an der Kunstuniversität absolviert hat. 2004 gründete er zusammen mit Lucas Norer und
Sebastian Six das FAXEN Kollektiv und ist außerdem Mitgründer des Projektraums bb15 in Linz. In seinen
eigenen Projekten sowie im FAXEN Kollektiv arbeitet Mairhofer mit Sound und der Schnittstelle zwischen
Klang, Geräusch und Musik. Häufig steht dabei Sound als Form der sozialen, kulturellen und politischen
Kommunikation im Fokus. Die Arbeiten der Künstlergruppe FAXEN wurden sowohl national als auch
international auf Radiofestivals und Biennalen, in Kunstmuseen oder Projekträumen und immer wieder auch
im öffentlichen Raum präsentiert.

Text: Leonie Pfennig