Anna Pech & Moritz Matschke – Das Gelbe vom Gau
Anna Pech & Moritz Matschke – Das Gelbe vom Gau
Bus 120 – Haltestelle Seekirchen Kothäusl
14. – 23. Mai 2021, 12:00–20:00 Uhr
Für die beiden Künstler*innen Anna Pech und Moritz Matschke begann die Zusammenarbeit nicht etwa in Linz, wo beide an der Kunstuniversität studierten, sondern in Israel, genauer in Jerusalem. Während zweier gemeinsamer Auslandssemester in der altehrwürdigen Kulturstadt initiierte man eine arbeitende Kooperation, die bis heute anhält. Seitdem realisierten die Österreicherin Anna Pech, die 1988 in Wien geboren wurde, und Moritz Matschke aus der niederbayerischen Kleinstadt Zwiesel gleich mehrere Projekte zu zweit: Ein fiktives Bärengehege in einem botanischen Garten, eine mehr als barfüßige Begehung einer Karsthöhle und ein Video über die kolumbianische Dunkelheit.
In eine sonnenähnliche Gestalt verwandelt sich die Skulptur der beiden Künstler*innen Anna Pech und Moritz Matschke gleich mehrmals am Tage; nur um dann nach und nach wieder zu verschwinden. „Das Gelbe vom Gau“ ist eine atmende Arbeit, die bildlich gesprochen ihre Lungen mit Odem füllt und dann wieder ausstößt. Man ist versucht das Werk für den SUPERGAU in einem allzu aktuellen Bezug zu lesen. „Das Projekt wurde vor dem Beginn der Pandemie entwickelt, es hat daher keinerlei beabsichtigten Bezug“, korrigiert Moritz Matschke den fälschlicherweise angenommenen Referenzrahmen. Anna Pech fügt dennoch hinzu, dass es sich hieran zeige, dass „aktuell nichts außerhalb der Pandemie gedacht werden kann.“
Aktuell versuchen die beiden neben ihrer Arbeit im Flachgau einen „experimentellen Ausstellungsraum in Wien zu etablieren“. Dies fühle sich nach einem neuen Kapitel an. Vorher hat es die beiden aber innerhalb des Traumstipendiums 2018 und 2019 in die Welt hinaus getrieben. Matschke folgte einem Storch in das Winterquartier über Südeuropa nach Afrika, Pech untersuchte die Orte an denen „unsere Anziehsachen“ gefertigt werden – dafür verschlug es sie vor allen Dingen nach Asien. Für beide eine durchaus interessante Erfahrung.
Sie haben beide das Traumstipendium erhalten – ihre Ansätze waren indes an oppositionellen Enden beheimatet: Während Herr Matschke der Natur hinterher reiste, war Frau Pech auf den Spuren der kapitalistischen Warenverwertung. Glauben Sie beide dennoch, dass ihre Reisen sich geähnelt haben? Dass das Beschreiten angelegter Pfade (ob kontingent oder doch durch eine „just in time“-Logik produziert“) qualitativ ähnliche Ergebnisse produziert?
Anna Pech: Dafür muss man zuerst einmal das Traumstipendium beschreiben. Das ist wirklich eine einzigartige Sache, denn es ist gewissermaßen das Gegenmodell zu „Artist-in-Residency“ Programmen, wo KünstlerInnen um zu Arbeiten stationär eine einen Ort „gebunden“ sind. Mit diesem Stipendium wird die Mobilität, die Bewegung und das Prozesshafte stärker in den Fokus gerückt und damit diese Art zu arbeiten unterstützt. Genau da knüpfen wir mit unserer Arbeitsweise an.
Moritz Matschke: Ich muss zuerst ihrer Behauptung widersprechen, dass ich der Natur hinterher gereist sei: Der Vogelzug eines Weißstorches ist eine höchst kulturelle Sache, da war von der Natur keine Spur. Nun zu ihrer Frage: Da ich auch bei Annas Reise mit dabei sein durfte, erlaube ich mir zu sagen, dass beide Unternehmungen sehr wenig Ähnlichkeit haben. In einem Moment meiner Reise gab es jedoch eine merkwürdige Überschneidung: Am südlichen Rand des Senegals begegnete ich einer Frau, die ein aussortiertes und wieder vermarktetes T-Shirt mit der Aufschrift „Passau räumt auf! Wir lieben unsere Stadt“ trug – eine exemplarische Spur, der von Anna thematisierten, kapitalistischen Warenzirkulation.
Für „Das Gelbe vom Gau“ reisen Sie diesmal nur bedingt, dennoch: Wie würden Sie ihr Verhältnis zum Salzburger Flachgau bezeichnen?
Moritz Matschke: Für mich stellt der Flachgau das Klischee eines Idylls dar. Das Panorama ist stimmig, die Landschaft kultiviert und bisherige Begegnungen waren durchaus freundlich – mit ein paar wenigen Ausnahmen.
Wer war emotional oder vom „mind-set“ näher dran: Die Österreicherin aus der Metropole Wien oder der Deutsche aus einer niederbayerischen Kleinstadt?
Moritz Matschke: Emotional habe ich mich die letzten Jahre schon sehr angepasst an meinen Wohnort Wien, somit verhalte ich mich auch zunehmend romantisch gegenüber ländlichen Regionen wie dem Flachgau.
Anna Pech: Beim Stichwort Metropole Wien muss ich erstens schmunzeln und zweitens an einen Satz von Herbert Lachmayer denken. Wien denkt sie sei eine Großstadt, das macht´s so provinziell. Das ist eine punktgenaue Analyse, die nicht an Aktualität verloren hat, oder?
Was steht für Sie im Mittelpunkt der Arbeit, die sich neun Tage lang aufbläst und dann wieder verschwindet? Gibt es so etwas wie eine „temporäre Permanenz“? Und ist Ihre Skulptur ein Gegenentwurf? Etwas, was man in der Medizin „Einschleichen“ nennen würde.
Anna Pech: Das „Einschleichen“ hat für mich einen subversiven Beigeschmack, das steht hier gerade nicht im Vordergrund. Uns geht es in diesem Projekt mehr um Symbiosen und Koexistenzen, wir agieren ja nicht völlig autark und unabhängig, sondern innerhalb einer ganz bestimmten sozio-kulturellen Konstellation verschiedenster AkteurInnen. Das trifft vermutlich für das gesamte Festival zu.
Moritz Matschke: Mir gefällt vor allem der ephemere und eigenwillige Charakter des Objekts. Durch unsere verfremdete Handhabung wird die Ballonhülle zu einem sehr willkürlichen Wesen, was gleichzeitig anzieht und abschreckt. Das Permanente ist die Ungewissheit, wie sowohl wir als auch die Besucher*innen mit der gelben Möglichkeit umgehen werden.
„Das Gelbe vom Gau“ zeigt sich ja ambivalent: Einerseits ist das menschlich-gemachte, der kulturelle Aspekt, immer dann offensichtlich, wenn sich die Anlage langsam aufbläst – dann wiederum könnte man die Skulptur als natürlichen Eingriff verstehen, der die Sonne beim Auf- und Niedergehen ämuliert? Wie ist da Ihr Verhältnis zu dieser Dichotomie?
Moritz Matschke: Wie bei meiner Antwort zum Vogelzug schon angedeutet: Die „Natur-Kultur“ Dichotomie ist eine äußerst unbrauchbare, anthropozentrische und damit gefährliche Logik. Für uns ist das Gelbe vom Gau während des Festivals eine Selbstverständlichkeit, wie eine weitere aufgehende Sonne in diesen Tagen.
Der Autor des Textes: Lars Fleischmann
Mehr Informationen zum Supergau für zeitgenössische Kunst
www.supergau.org