Der Autor
Willi Schwarzenbacher ist geboren 1978 in Mittersill und aufgewachsen auf einem kleinen Bauernhof mit drei Kühen und acht Schafen. Die Liebe zu den Bergen, der Natur waren stetig seine Begleitung. In die Schule ist er vom ersten bis zum letzten Tag sehr ungern gegangen, beim Studium der Medizin, ermöglicht durch den Wohlfahrtsstaat Österreich, ging es dann besser. Aus Dankbarkeit für ein gutes Leben setzt sich der Arzt und Bauer immer wieder für den Schutz von Natur, Klima und Menschenrechten ein.

Foto: Stefan Rainer
Willi Schwarzenbacher, Foto: Stefan Rainer
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Es waren zwei Faktoren, die mich dazu brachten, gegen das Luxus-Tourismusprojekt Six Senses – Hotel & Residences Beyond Kitzbühel aufzutreten.
Der erste war die ORF-Reporterin Nora Zoglauer, die mich über das Wasenmoos oberhalb meines Elternhauses in Dorf in Bramberg informierte. Sie klärte mich über den Ausverkauf der Heimat und ihre Berichterstattung in der ORF-Reportagereihe Am Schauplatz auf. Der zweite, entscheidende Faktor war der Werbeslogan „Art of sustainable living“, mit dem ein Luxuschalet und ein quasi geschenkter E-Porsche Taycan verkauft werden sollten. Für mich war das ein Paradebeispiel für Greenwashing und Faktenverdrehung. Der Luxus von wenigen, mit hohem Ressourcenverbrauch, kann auf Dauer nicht funktionieren – weder für die Umwelt noch für die Demokratie, die ein gewisses Maß an Gleichheit erfordert.
Doch ich wusste von Anfang an, dass der Protest primär nur ein Denkanstoß sein könnte und nicht darauf abzielte, das Luxusresort zu verhindern. Die Umwidmung von 4,5 Hektar Grünland in Bauland war bereits vor Jahren im Gemeinderat beschlossen worden und ging Hand in Hand mit dem Bau der Seilbahnanlage. Die Logik dahinter war einfach: Mehr Betten, mehr Auslastung, mehr Rentabilität.
"Skigebiete sind in vielen inneralpinen Gemeinden der Wirtschaftsmotor, verhindern die Landflucht und sind stark mit dem Heimatsgefühl verbunden."
Daher sehen viele Einheimische die Neueröffnung positiv, auch wenn sie ein Gespür für die Gefahr von Zweitwohnsitzen und Kapitalanlagen haben. Doch in einem Dorf kennt jeder jemanden in der Bauwirtschaft, und alles ist miteinander verflochten – da ist Protest nicht so einfach.

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Mahnwache am Wasenmoos, Foto: Stefan Rainer
Umso mehr hat es mich erfreut, dass über 100 Menschen zur Mahnwache am Wasenmoos und über 200 zu einer Diskussionsveranstaltung im Nationalparkzentrum Mittersill kamen. Dies hatte viele Medienberichte zur Folge, mobilisierte Menschen, beeindruckte die Landesregierung und führte letztlich zu gewissen Verschärfungen bei Zweitwohnsitzen. Natürlich: Den großen Dialog zum Thema „Grenzen des Wachstums“, im konkreten Fall Bodenversiegelung hat es nie gegeben.
„Ich dachte mir: Wenn schon scheitern, dann wenigstens in grüner Lederrüstung, Ritterhelm und Holzschwert mit Blumen.“
Nach mehr als vier Jahren frage ich mich, woher ich damals die Kraft genommen habe. Menschen wissen oft nicht, wie viel Heimatliebe, Mut, Zeit, Geld und Frustrationstoleranz in einem solchen Engagement stecken. Durch meine Erfahrungen mit anderen Protestbewegungen und NGOs war mir das von Anfang an bewusst. Und mir war auch das mögliche Scheitern klar. Hier half die künstlerische Herangehensweise als Motivator und Katalysator. So kam Martin Mux, der „Klimaretterritter vom Wasenmoos“, ins Spiel. Ich dachte mir: Wenn schon scheitern, dann wenigstens in grüner Lederrüstung, Ritterhelm und Holzschwert mit Blumen.

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Klimaretterritter Martin Mux vom Wasenmoos , Foto: Stefan Rainer
Die künstlerische Intervention hatte für mich eine klare Strategie: Zuerst die Anklage in Form einer Mahnwache, dann der Dialog. Gesellschaftskritische Kunst hat auf dem Land einen schweren Stand, es sei denn, sie ist schön, bewegend oder greift aktuelle Themen respektvoll auf. Ein gutes Beispiel wäre gesellschaftskritische Satire – allerdings eine hohe Kunstform, die nur wenigen zugänglich ist. Kunst muss identitätsstiftend und sinnhaft wahrgenommen werden, um ein Publikum zu finden. In der Stadt ist mehr möglich, auf dem Land aber scheitern viele Versuche, weil schlichtweg die Bevölkerungsdichte zu gering ist. Der Protest am Wasenmoos war jedoch erfolgreich, da die Medien ihn gerne aufnahmen. Es war eine leicht erzählbare Story, die von den Projektbetreibern durch ihre dilettantische Werbeschiene noch befeuert wurde. Der Widerspruch zwischen Schein und Sein war zu groß.
"Der Widerspruch zwischen Schein und Sein war zu groß."
Der zweite Schritt, der umfassende Dialog, wie ein Wirtschaften im Rahmen der planetaren Grenzen gelingen kann, ist meines Erachtens in den letzten Jahren noch viel, viel schwieriger geworden. Klima-, Natur- und Bodenschutz haben keine politische Mehrheit. Die Menschen lassen sich mehr und mehr von nationalistischen Parteien abholen, die ganz offen gegen wirksamen Klima- und Naturschutz der Europäischen Union ankämpfen, wenn nicht das Friedensprojekt an sich zum Feindbild Nr.1 ausgerufen haben. Frieden ist nicht von Gott gegeben und noch weniger ein Naturgesetz, sondern immer von wehrhaften Menschen mit Liebe und Mut hart erkämpft.
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detours Pinzgau
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