Salzburger Land

Anna Lerchbaumer und Andreas Zißler

Text: Domenika Meindl

 

Zeitskulptur im alpinen Raum

Die Rolle der Schi-Industrie für Österreich ist kaum zu überschätzen. Die geplante Sprengung eines
Gipfels, der unselige Ischgl-Cluster oder die Öffnung der Schigebiete trotz Lockdowns sind in den
internationalen Medien gelandet. Da muss es niemanden wundern, wenn KünstlerInnen dieser Heiligen
Kuh auf den Leib rücken.

Wie Anna Lerchbaumer und Andreas Zißler das angehen, ist ebenso humorvoll
wie auch kritisch. Sie sprengen – mit vorgetäuschtem Enthusiasmus für die Knechtung der Natur – einfach
die Grasnarbe einer Almwiese. Und machen daraus auch noch eine temporale Skulptur und ein
Musikstück: Die Almwiesensymphonie ist eine kontrollierte, kurze, aber eindrucksvolle Explosion. In
Zusammenarbeit mit dem Pyrotechniker Phillip Braunschober wird die Piste zum gewaltigen Instrument,
auf dem der Soundtrack unserer Zeit gespielt wird. Eines vorweg: Die ohnehin schon geplagte Natur wird
hier nur für Sekunden ge-, nicht zerstört. Die „Almwiesensymphonie“ ist dennoch eine Simulation mit hoher
symbolischer Sprengkraft.

Anna Lerchbaumer und Andreas Zißler haben als Teil des Kollektivs „Anulla“ bereits mehrere Projekte
gemeinsam realisiert. Lerchbaumer arbeitet an Klangperformances und Videoinstallationen, gerne mit
Augenzwinkern und witzigen Assoziationen, wobei sie über Obsoleszenz sowie die Beziehung zwischen
Technologie, Mensch und Natur reflektiert. Zißlers interdisziplinäre Arbeitspraxis oszilliert zwischen
Performance, Sound, Medienkunst und Architektur, sie dreht sich um Fragen der Digitalisierung und
Automatisierung.

© Lerchbaumer Zißler

Welche Wiese sprengt ihr da genau? Und wie habt ihr euch für diesen Ort entschieden?
Als Ort für unsere Intervention haben wir uns für eine Wiese am Hang der Zwölferkogelbahn am
Wolfgangsee entschieden. Der Ort wird mit der Gondel erreichbar sein und ist auch vom Tal aus gut
sichtbar. Der entscheidende Faktor für die Wahl des Ortes war für uns, dass der Platz uns einen alpinen
„Postkartenblick“ bietet. Dann war es für uns wichtig, dass die Sprengung auch vom Tal aus gut sichtbar
ist, also die Arbeit nicht nur für die Leuten, die auf den Berg wandern oder fahren können, erlebbar wird.
Dazu kommen noch akustische Voraussetzungen des Ortes, wir erwarten dort ein gutes Echo. Dann gibt’s
da natürlich einige pragmatische Faktoren wie Zugänglichkeit, um das Material für die Filmsprengung
anliefern zu können, und dass keine Tiere in unmittelbarer Nähe gehalten werden, die sich erschrecken
könnten, Genehmigungen… Möglich wurde die Almwiesensymphonie jedoch erst, nachdem wir sehr
entgegenkommende Grundstücksbesitzer gefunden hatten.

Wie kann man sich die Explosion vorstellen, wird da quasi Staub in die Luft gejagt?
Es ist eine sehr kontrollierte Sprengung, durchgeführt vom Pyrotechniker Phillip Braunschober. Mit
ihm arbeiten wir seit einiger Zeit an der Explosion. Wie es technisch genau funktioniert,
können wir noch nicht verraten, jedenfalls ist es eine Filmexplosion, das heißt, da ist viel Fake drin,
etwa dass die Flamme der Explosion durch verbrennenden Blütenstaub erzeugt wird.

Wird’s sehr laut?
Sehr spannend ist, dass wir die Explosion selbst komponieren können, man hat im sehr hohen
Maße Kontrolle darüber, wie viel Zeug durch die Luft fliegt, über Größe und Eigenschaften der
Flamme, die Menge an Rauch und wie schnell er sich verzieht… Und natürlich auch über den Klang
und über die Lautstärke. Unser Anspruch ist schon, dass die Arbeit ein paar Kilometer weit zu
hören ist!

Na hoffentlich! Zum Inhalt: Kann man sagen, dass ihr durch eine verdoppelte Künstlichkeit die
Illusion verdeutlicht, ein Schigebiet sei Teil einer natürlichen Landschaft?
Ja, in der Arbeit geht es uns in erster Linie um die Störung eines vermeintlich idyllischen Naturbildes, das
bei genauerer Betrachtung alles andere als unberührt ist. Diese etwas versteckte Künstlichkeit mit einer
weiteren Künstlichkeit zu konfrontieren, ist die Grundidee der Arbeit. Dabei operieren wir auf der Ebene
des Visuellen durch eine Störung des „Postkartenmotivs“, das wir mit einer Videokamera auch live framen
werden und das die ZuschauerInnen vor Ort sehen können. Aber natürlich auch sehr stark auf einer
akustischen Ebene. Der Begriff der Natur hat sich im dicht besiedelten Raum der Alpen, der auch sehr vom Tourismus
geprägt ist, stark verschoben. Wir nehmen als Natur wahr, was fotografierbar und dadurch
verkäuflich ist.

Das führt nahtlos zu meiner nächsten Frage: Wie seht ihr den (vielleicht typisch österreichischen?)
brutalen Zugriff auf die Natur? Besonders Tirol ist da ja schmerzbefreit, aber auch in
Oberösterreich sollten zwei kleine Schigebiete mittels Tunnel bzw. Lift quer durch ein großes
Naturschutzgebiet verbunden werden. Ist das so etwas wie Rache an einer Umgebung, die
jahrtausendelang als Bedrohung galt? Berge, die mit Lawinen, Muren, Steinschlag, Unwetter
bedrohen, landwirtschaftlich kaum nutzbar – die Landschaft wird dann unterworfen, sobald es die
technischen Mittel zulassen und der Tourismus Wohlstand verspricht?                                                                                                                  Ich finde die Idee mit der Rache ein spannendes Konzept. Da ich (Anna Lerchbaum,) ja selbst aus
Tirol stamme und auch direkt mit dem Tourismus groß geworden bin, sehe ich die Vorteile wie auch
die Schattenseiten. Am meisten stört mich persönlich die Skalierung, die das Ganze annimmt: Ich
empfinde Tourismus per se nicht als etwas Schlechtes, denn ich reise selbst liebend gerne.
Erschreckend ist für mich der Ausverkauf der Bauernhäuser, die Hotelburgen, der rücksichtslose
Umgang mit den Ressourcen.

Wie habt ihr es empfunden, dass das Schifahren in der Quarantäne erlaubt war? Was sagt das über
die Bedeutung des Nationalsports im Tourismusland Österreich aus?
Die Durchsetzungskraft von gewissen Interessengruppen war und ist während der Lockdowns klar
ersichtlich. Das Konzept für die Almwiesensymphonie ist schon weit vor Ausbruch der Pandemie
entstanden, aber dass das Projekt als eine Art Beerdigung des alpinen Sports gelesen werden
kann, ist durchaus unsere Absicht.

Wie wichtig ist euch ein ironischer, gewitzter Zugang?
Bei der Arbeit verfolgen wir in erster Linie ein skulpturales und musikalisches Interesse, eine ironische
Ebene ist aber auf jeden Fall dabei.

Gefällt euch, dass die eigene Hervorbringung nichts Permanentes ist, mit der Landschaft spielt und
sich dann wieder in Luft auflöst, noch schneller als andere Landart-Projekte?
Für uns ist es sehr reizvoll, ein Kunstwerk zu erarbeiten, das nur wenige Sekunden existiert, seine ganze
Energie ungeheuer schnell entlädt und dann einfach weg ist, also eigentlich keine wirkliche Dauer hat,
sondern nur noch ein zeitlicher Punkt ist. Das ist auch im musikalischen Sinn ein sehr spannendes Motiv.

Gibt es neben eurer „Almwiesensymphonie“ ein Supergau-Projekt, das euch besonders interessiert
und das ihr empfehlen möchtet?
Wir glauben, das ganze Festival wird sehr spannend, und freuen uns eigentlich auf alle Projekte. In
nicht weiter Entfernung von unserem Projekt, auch am Wolfgangsee, finden die Techno Scapes
statt. Und wir sind auch sehr gespannt auf die Soundarbeit Tribunal bei einem Umspannwerk.

Text: Domenika Meindl

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