Anna Adensamer – Heilige Scheiße
Anna Adensamer – Heilige Scheiße
Bus 120 – Haltestelle Elixhausen Ursprung / HBLA
So 16. und Sa 22.5.2021
Im 1974 erschienenen Film „Das Gespenst der Freiheit“ von Luis Buñuel gibt es diese eine Szene: Eine Gesellschaft nimmt auf Kloschüsseln rund um einen Tisch Platz und kackt gemeinsam. Und zum Essen ziehen sich die einzelnen Personen alleine an ein stilles Örtchen zurück. Verkehrte Welt! Dieser Verkehrung nachzugehen beziehungsweise sie auf ihre ökologischen Implikationen hin zu vertiefen, hat sich Anna Adensamer mit ihrem Projekt „Heilige Scheisse“ zur Aufgabe gemacht.
Bisher vor allem als Choreografin und Tänzerin für Produktionen von Theater ecce, ohneTitel oder Hildegard Starlinger tätig, arbeitet Adensamer für ihr erstes eigenes Tanztheaterstück mit einem Ensemble aus sechs Personen zusammen. Als textliche Grundlage dient „Scheisskultur – die heilige Scheisse“, ein 1979/80 vom Künstler, Architekten und Umweltschützer Friedensreich Hundertwasser verfasstes Manifest. Entlang von „Homo – Humus – Humanitas“ imaginiert der Text einen nachhaltigen Umgang mit Abfällen und propagiert die Verwendung von Humustoiletten. „Der Kreislauf vom Essen zur Scheiße funktioniert. Der Kreislauf von der Scheiße zum Essen ist unterbrochen“, heißt es darin. Bei Adensamer wird daraus eine Art Gottesdienst mit Tourette-Episoden. Rund um einen Klo-Thron auf der Aussichtsplattform im Naturschutzgebiet Ursprunger Moor erlebt das Publikum eine Umwertung von wertloser Scheiße in fruchtbaren Neubeginn.
Das Ursprunger Moor, durch jahrzehntelangen Torfabbau ausgebeutet, steht heute unter Naturschutz. Durch die Renaturierung dieses besonderen Lebensraumes können Pflanzen, Amphibien, Reptilien und Vögel hier wieder heimisch werden. „Mich interessiert, wie sich Gesellschaften organisieren. Und wie sie sich verändern können“, so Adensamer. Nach einem Studium der Vergleichenden Kultur- und Religionswissenschaften, das sie mit einer Arbeit zu „McVidya – Yoga Vidya, eine neue religiöse Bewegung mit Unternehmenscharakter“ abgeschlossen hat, wechselte Adensamer zur Musik- und Tanzpädagogik und macht ihren Masterabschluss am Mozarteum Salzburg zum Thema „Performance als Ritual“. Und apropos „Ritual“: Gemeinsam mit vier anderen Künstler*innen erarbeitet Adensamer unter dem Titel „Punk Puppet Ritual“ Improvisationen zwischen Klang, Bewegung, Licht und Objekten. Wie die einzelnen Künste miteinander in Kontakt treten können – damit beschäftigte sie sich auch im Rahmen des Online-Projektes „Intimate Stage“, das im Frühling 2020 neun Künstler*innen aus verschiedenen Ländern und Disziplinen zu einer gemeinsamen Arbeitspraxis einlud. „Inklusives Arbeiten ist mir wichtig. Ich finde: Kunst ist für alle da!“.
Was war der Ausgangspunkt für das Projekt „Heilige Scheisse“?
Anna Adensamer: Es war eine Frage. Und zwar: Wenn ich als Mensch draußen in der Natur scheiße, was passiert dann mit den Exkrementen? Es hätte mir übrigens sehr gefallen, das Publikum zum gemeinsamen Scheißen einzuladen. Das geht im Ursprunger Moor natürlich nicht, denn da befinden wir uns in einem Naturschutzgebiet. Ein zweiter Ausgangspunkt war die Lektüre des Buches „Darm mit Charme“ von Giulia Enders. Deren Überlegungen zu Darmgesundheit und einem balancierten Immunsystem wollte ich im urig, wilden Feuchtgebiet widerspiegeln. Denn auch ein Ökosystem ringt um das eigene Gleichgewicht.
Und dann gibt es da noch das Hundertwasser-Manifest.
Anna Adensamer: Genau! Ein Freund hat mich auf diesen Text aufmerksam gemacht. Ich halte diese Überlegungen in Bezug auf derzeitige ökologische Probleme für visionär. Und versuche den Text aus einer öko-feministischen Richtung weiterzudenken. Wie können wir eine Wertverschiebung unternehmen? Heidi Trimmel, die Tochter von Hundertwasser, reflektiert das Projekt unter anderem folgendermaßen: „Die angespannte Verstopfung entlädt sich in der freudigen Geburt eines wohlgeformten Stücks Scheisse, dass auch stolz von der Produzentin auf einem Teller präsentiert und von den Neugierigen bewundert (und gekostet wird). Endlich wird die Umwandlung der Scheiße in Essen (erstmals ?) konkret auf der Bühne inszeniert“.
Welche Gestaltungselemente waren für die Umsetzung wichtig?
Anna Adensamer: Mich interessiert der Kontrast zwischen Predigen und tatsächlichem Tun. Mit „Heilige Scheisse“ versuche ich eine Persiflage auf das Machttheater des Patriarchats. Diese Hygienekultur versteckt die notwendigen reproduktiven Tätigkeiten an „stillen Örtchen“. Aber ohne diese verschmähte und unentlohnte Arbeit geht in unserer Gesellschaft nichts. Wer reinigt die Klos? Wer putzt die Wohnungen und Ärsche? Deswegen ist Umwertung so wichtig. Für Umweltschutz und eine gerechtere Welt.
Die Autorin des Textes: Theresa Gindlstrasser
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